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La nausée - Der Ekel, ein Roman von J.-P. Sartre


Zusammenfassung:

Nach verschiedenen Reisen, die ihn zu historisch-archäologischen Zwecken auch nach Nordafrika, Indien und Fernost führten, schreibt Antoine Roquentin nun in Bouville eine historische Studie über den Marquis de Rollebon. Roquentin lebt alleine. Er spricht kaum jemals mit Mitmenschen. Ausser dem Autodidakten und Françoise, der Wirtin, mit der er schläft. Er ist einsam. Seine Leidenschaft ist erkaltet. Das Leben kommt ihm gleichgültig und fad vor. Er hat Angst vor dem, was kommt und sich seiner bemächtigen wird, vor den Dingen, die ihn berühren könnten. Der Ekel hat ihn gepackt. Er kann nicht mehr arbeiten. Alle Eindrücke – was immer er sieht, riecht, hört – lösen sich in ihre Einzelteile auf. Sein Gesicht, seine Hand, die Wurzel des Kastanienbaums in der öffentlichen Anlage von Bouville. Die Vergangenheit entschwindet ihm. Die Wochen zerfallen in einzelne Tage, die Stunden in Minuten. Er weiss, dass die Dinge ganz und gar sind, was sie scheinen, und dass nichts hinter ihnen ist.

Seiner Gegenspieler sind viele. Der Autodidakt, der in alphabetischer Reihenfolge sich durch die Bücher der Bibliothek liest, um sich so zu bilden. Die Bücher bilden für ihn den Ersatz für richtige Abenteuer. Für den Autodidakten, den Sozialdemokraten und Humanisten, sind die Menschen der letzte Zweck. Er glaubt nicht mehr an Gott. Der Autodidakt glaubt nur noch an die Menschen. Roquentin wirft ihm vor, dass seine Liebe nur abstrakt ist. Er liebe nur den abstrakten Menschen, nicht den konkreten.

Neben dem Autodidakten zählen alle guten Bürger von Bouville zu Roquentins Gegenspieler. Da ist der Korse, der den Autodidakten wegen seiner Homosexualität verfolgt. Da sind all jene, die heiraten, Kinder zeugen, sterben – alles in einem festgesetzten Ablauf, wie es die guten Sitten erfordern. Aber es sind vor allem die Grossbürger Bouvilles, wie sie in den Porträts im städtischen Museum festgehalten sind. Es sind jene gewichtigen Bürger, die Bouville zu einem bedeutenden Hafen gemacht haben. Jene, die immer ihre Pflichten erfüllt und ihre Rechte verlangt haben und von denen keiner ohne Testament und Sterbesakramente gestorben ist. Sie fühlen sich nicht wie Roquentin, zufällig in der Welt zu sein. Sondern sie sind jene Schweinehunde, die glauben, ein Recht auf ihre Existenz zu haben und notwendigerweise da zu sein. Und selbstverständlich haben sie alle die Légion d’honneur erhalten.

Roquentins Krise spitzt sich zu. Plötzlich spürt er, dass das einzige, das ihm geblieben ist, seine Existenz ist. Er ist. Er existiert. Nicht weniger und nicht mehr. Ähnlich Descartes sagt er sich: „Ich existiere, denn ich denke.“ Dieses Bewusstsein unterscheidet ihn von allen andern. Seine Existenz ist eine Existenz ohne Existenzberechtigung. Roquentin ist zuviel, ohne Grund geboren. Er ist überflüssig. Selbst Selbstmord wäre überflüssig, würde ihn immer noch als überflüssiges moderndes Fleisch zurücklassen. Und als sich Roquentin dessen bewusst wird, wird er vom Ekel gepackt. Dieser schüttelt ihn von Kopf bis Fuss. Die Existenz ist, was die Dinge ausmacht. Die Eigenschaften der Dinge sind nur deren äusserer Anschein, Firnis. Alles ist absurd. Die Existenz ist nicht das Notwendige. Das Wesentliche ist das Zufällige. Nichts kann die Existenz erklären, kein notwendiges Sein, kein Gott. Das Leben ist Versagen. Die Existenzen werden verfehlt, wieder neubegonnen und wieder verfehlt. Das Leben gleicht dem vergeblichen Bemühen eines Käfers, der auf den Rücken gefallen ist, wieder auf die Beine zu kommen.

So entschliesst sich Roquentin, seine Arbeit über den Marquis de Rollebon abzubrechen und nach Paris umzuziehen. Ein letzter Besuch bei Anny in Paris, die er seit vier Jahren nicht mehr getroffen hat, nimmt ihm die letzte Hoffnung. Es gibt keine bevorzugten Situationen und keine vollkommenen Augenblicke mehr. Auch Anny hat ihre Illusionen verloren. Sie lebt, ohne Zorn, mit ausdruckslosen Augen. Wie Anny will Roquentin nur langsam, gemächlich existieren. Ein Leben nach sinnlosen Gewohnheiten, ähnlich den Naturgesetzen. Der Ekel, die Angst vor der Existenz wird sein Normalzustand sein. Noch ein letztes Mal kehrt er nach Bouville zurück. Er verteidigt den Autodidakten, den der Korse wegen dessen homosexuellen Kontakten zu Gymnasiasten zur Bibliothek hinauswirft. Er trifft ein letztes Mal noch die Wirtin, hört ein letztes Mal „Some of these days“. Und er verlässt Bouville, wissend, dass er nie sein und nur immer existieren wird. Aber vielleicht wird er ein Buch schreiben, ein anderes Buch, einen Roman, etwas, das nicht existiert, sondern ist.