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Les séquestrés d'Altona / Die Eingeschlossenen, ein Drama von J.-P. Sartre


Zusammenfassung:

Die Familie der von Gerlachs lebt in Altona, einem Vorort von Hamburg. Vater von Gerlach ist der grösste Schiffsbauunternehmer Europas und ein Repräsentant des hanseatischen Grossbürgertums. Er herrscht, nicht nur im Unternehmen, sondern auch in der Familie. Er lässt die Kinder auf die Bibel schwören und geht regelmässig in die Kirche. Seiner Auffassung nach sind die Schwachen dazu da, den Starken zu dienen. Das sei das Naturgesetz. Befehle zu erteilen und Befehlen zu gehorchen stehen für ihn im Zentrum seines Lebens. Sein jüngerer Sohn Werner, der ein erfolgreicher Anwalt war, musste seine Karriere abbrechen und mit seiner Frau Johanna zurückkehren, um die Nachfolge von Franz anzutreten, dem älteren Sohn. Franz war schon als Junge zum Nachfolger des Vater von Gerlach auserwählt worden. Und so brachte der Vater diesem schon früh bei, was Gehorchen und Befehlen bedeutete. Auch wenn die psychische Struktur des Sohnes daran leiden mochte. Er bevormundete seinen Sohn, tat für ihn immer alles, versuchte ihm jede Verantwortung abzunehmen. Sein Sohn durfte nie wählen, sondern er wurde immer gewählt.

Als ein polnischer Rabbi aus dem KZ entfloh, hatte Franz ihm in seinem Zimmer Unterschlupf geboten. Als sein Vater dies entdeckte, wurde der Rabbi aus Frucht vor dem Verrat durch den Chauffeur, einem echten Nazi, ausgeliefert und von den Nazi-Schergen ermordet. Nach Intervention seines Vaters bei Göring kam Franz zwar mit dem Leben davon, musste jedoch zwangsweise an die russische Front. Dort liess er zwei vermeintliche Partisanen foltern, denen noch viele andere Dorfbewohner folgen mussten. Franz wurde zum Schinder von Smolensk. Nachdem Franz zu Fuss von der Front zurückgekehrt war, schloss er sich in seinem Zimmer ein. Seit damals, seit dreizehn Jahren war Franz nicht mehr aus seinem Zimmer heruntergekommen. Er hat sich dorthin zurückgezogen auf der Flucht vor seiner Verantwortung vor seiner Tat, seinem acte gratuit, der einzigen Tat, für die er voll zuständig ist.

Franz weiss, dass er keinen Augenblick Ruhe hat und sich immerzu rechtfertigen, erklären muss. Und zwar vor den imaginären Krabben, den Zehnfüsslern, die für ihn den Hohen Gerichtshof bilden. Franz hofft, dass Deutschland untergeht. Er will den Wiederaufbau nicht wahrnehmen. Nur dadurch, dass er die Niederlage im Zweiten Weltkrieg als Beginn der totalen Vernichtung Deutschlands sieht, kann er seine Folterungen in Smolensk, sein Griff zum absolut Bösen, als ultima ratio rechtfertigen. Nur Leni, seine Schwester, mit der er eine inzestuöse Beziehung führt, darf ihn besuchen. Sie akzeptiert ihn – mit seinem Verbrechen –, während Johanna, seine Schwägerin, ihn wegen dieses Verbrechens nicht akzeptieren kann. Nicht nur Franz will die Verantwortung für seine Handlung nicht übernehmen, sondern auch Vater von Gerlach nicht. Nicht für seine Kollaboration mit dem Dritten Reich und für die Denunziation des polnischen Rabbis, nicht dafür, dass er Hitler Kriegsschiffe geliefert und Himmler den Boden für ein neues KZ verkauft hat. Gewissen ist für diesen Opportunisten ein Luxus. Für Vater von Gerlach sind nicht die Millionen Deutschen für den Krieg und die Vernichtungslager verantwortlich, sondern nur die höchstens drei Dutzend Personen starke höchste Führungselite des Dritten Reiches. Er sieht sich nicht als Mittäter des Nationalsozialismus, sondern als Opfer Görings, wurden doch durch die Bombenangriffe seine ganzen Werftanlagen zerstört. Auch die Alliierten hätten geplündert, gemordet und vergewaltigt. Und mit seinem Beitrag zum gelungenen Wiederaufbau Deutschlands glaubt er sich ausreichend rechtfertigen zu können.

Doch letztlich bricht für beide, für Franz wie für den Vater, diese Scheinwelt zusammen. Franz muss erkennen, dass Deutschland wieder blüht und dass es auch Alternativen zu den Folterungen gab. Zudem sagt ihm sein Vater, dass er schon seit drei Jahren weiss, dass Franz ein Folterer war. Franzens Spiel war umsonst. Vielmehr hat sein Vater ihn einmal mehr daran gehindert, sich seiner Verantwortung zu stellen. Vater von Gerlach hatte nämlich Franz offiziell in Argentinien sterben gelassen, damit niemand nach Franz suchen würde. Nachdem beide erkannt hatten, dass ihre Schweinwelt zusammengebrochen war, setzen sich Vater und Sohn in einen Porsche und begehen gemeinsam Selbstmord. Dieser Selbstmord, als tödlicher Unfall inszeniert, ist das Zeichen dafür, dass sie sich nicht länger vor der Schuld und der Verantwortung für ihre Taten drücken wollen.