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Freud, ein Drehbuch von J.-P. Sartre

Zusammenfassung:

Freud

ist die Geschichte der Entstehung der Freudschen Psychoanalyse zwischen 1885 und 1900. Freud beginnt als seine wissenschaftliche Karriere als Vertreter der damals modernen Psychiatrie, wie sie sein Mentor Prof. Meynert vertritt, die nicht nur Psychosen, sondern auch Neurosen als Ergebnis organischer, d.h. physiologischer, Defekte versteht. Der Bruch mit Meynert erfolgt, als er sich für für Charcots Auffassung begeistert, dass nicht alles organisch bedingt ist, weil sich hysterisches Verhalten durch Hypnose aufheben, aber auch hervorrufen (aber allerdings nicht heilen) lässt. Auf den Besuch bei Charcot in Paris erfolgt der Bruch mit Meynert. Darauf schließt sich Freud mit Breuer zusammen, um Patienten, wie Breuer es vorschlug, durch  die auf Hypnose und Suggestion beruhende kathartische Methode zu heilen. Eine ihrer wichtigen Patientinnen ist Anna O. (in der ersten und zweiten Fassung des Filmskripts Cäcilie Körner genannt). In Zusammenarbeit mit Breuer entwickelt er auch schon die Vorstufe des therapeutischen Gesprächs, in dem der Arzt jedoch noch als aktiv Handelnder auftritt. In den Analysengesprächen stellt Freud nicht nur die Bedeutung von Übertragungen, Träumen und Fehlleistungen fest, sondern auch jene der Sexualität. Diese neue Theorie, die Freud zuerst selbst schockiert ablehnt, führt zum Bruch mit Breuer. Dass Freud  im Sexualtrieb die Herrscherin der Psyche sieht, ist nicht zuletzt dem Einfluss seines neuen Freundes Fliess geschuldet, den Sartre leider aus dem Film strich. In einer ersten Variante entwickelt Freud die Verführungstheorie, wonach frühkindlicher sexueller Missbrauch der Ursprung von Neurosen ist. Doch in seinen Analysen zeigt sich, dass die Erzählungen seiner Patienten falsch waren: sie wurden nicht verführt, sondern begehren selbst sexuell ihren gegengeschlechtlichen und hassen ihren gleichgeschlechtlichen Elternteil. Damit erfand Freud die Theorie des Ödipuskomplexes unter gleichzeitiger Aufgabe der Verführungstheorie, was zum Bruch mit Fliess führt. Parallel hierzu gibt Freud die Hypnose und die aktive Befragung der Patienten zugunsten der analytischen Methode auf, wo der Psychoanalytiker als passiver Zuhörer die Patientin frei assoziieren lässt. Freud ist mehr als nur eine einigermassen chronologische Wiedergabe der Entstehungszeit der Freudsche Psychoanalyse. 

Freud  ist mehr als nur die Geschichte der Erfindung der Psychoanalyse,  sondern auch eine Interpretation der Motive Freuds. Über allen dominiert das Vatermotiv. Freud hatte eine ganze Reihe von Vätern, angefangen von seinem leiblichen Vater Jakob über Meynert zu Breuer und Fliess, die er alle nacheinander „ermordete“, bis er am Schluss selbst feststellen konnte: Alle Väter sind tot; jetzt bin ich der Vater (und als Vater wird er später seine Söhne Adler, Jung etc. selbst aus seiner Familie hinauswerfen) . Sein Vaterkomplex war Teil von Freuds Neurose. Erst dies liess Freud zum Gründer der Psychoanalyse werden. Seine Neurose drückte sich nicht nur in seinem Verhältnis zu seinen Über-Vätern aus, aber auch in seiner Eisenbahnphobie und in seinem Rauchen. Das dritte wichtige Element nach dem Vatermotiv und der Neurose ist Freuds Judentum. Die Psychoanalyse ist Freuds Antwort auf den Antisemitismus seiner Zeit, den auch Freud immer wieder erfuhr. Nach Freud muss der Jude der Beste sein. Aber unter keinen Umständen wollte Freud ein guter Jude, sondern vielmehr ein Rebell sein. In den Motiven Freuds findet sich die Erklärung für Sartres Interesse an diesem Drehbuch. Freud ist nicht nur Sartres Gegenstück – der vaterorientierte Freud vs. der vaterlose Sartre –, sondern ist, was die Bedeutung der Neurose als Quelle kreativen Schaffens anbetrifft, eine Parallele zu Sartres eigenem Verständnis von sich selbst (cf. Les Mots). Und was die Rolle des Antisemitismus betrifft, so hatte Sartre ähnliche Ideen schon in Réflexions sur la quéstion juive entwickelt.


Szenario Freud: Vergleich Exposé und der zwei Fassungen von 1959 und 1959/60

 

EXTERNER LINK:

Seeing Huston's Freud  Über die Entstehung des Films über Freud