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Sartres Zeitgenossen — Kurzbiographien G–He

Claude Gallimard: 1914-91, Sohn von Gaston Gallimard. Bewirkte Rückkehr von TM ins Haus Gallimard. Seit 1937 im Verlag, 66-75 stv. Lt. , 75-88 Lt.. (Nachfolger: sein jüngerer Sohn Antoine, *1947, überging damit seinen älteren Sohn Christian, *1943, der zu Gastons Zeiten der präsumtive Nachfolger war). War polit. eher rechts und v.a. am Geschäft interessiert (wie Onkel Raymond): in den 50er Jahren Streit mit Michel, der erst durch dessen Tod behoben wurde. Verheiratet mit Simone, der er nach der Scheidung den Mercure de France vermachte: die TM hatte nach 1965 dort ihr Büro (aber Sartre kam nie dorthin).

Gaston Gallimard: 1881-1975. Bedeutendster franz. Verleger. Aus Industriellenfamilie, Dandy und Lebemann. Gründete 1908 zusammen mit Gide und Schlumberger die NRF, deren Leiter er bis 1935 war (Nachfolger: Paulhan). Gründete den Verlag Gallimard 1919 (seit 1930 an der 5 rue Sébastien-Botin). Zu seinem Verlagshaus gehörten auch die Reihen La Bibliothèque des idées (1927 gegründet und von Paulhan und Groethuysen, später u.a. von Raymond und Robert Gallimard betreut), die Klassikerserie Bibliothèque de la Pléiade (1933 gekauft) und die Zeitschrift Marianne (mit Berl). Veröffentlichte u.a. Werke von Proust, Gide, Montherland, Drieu, Jouhandeau, Breton, Aragon, Alain, Mauriac, Maurois, Cocteau, Ponge, Nizan, Caillois, Giono, Leiris, Wahl, Queneau. Mit ihm arbeiteten Paulhan, Malraux, Fernandez, Groethuysen, Parain, Grenier. Sartre publizierte fast alle Werke bei ihm (Ausnahmen: u.a. TM). Erfand den Titel La Nausée. Der Kollaboration mit den Deutschen beschuldigt (arbeitete weiter, musste dafür NRF Drieu anvertrauen), aber 1948 freigesprochen (Vercors verlangte Sanktionen gegen ihn, Sartre/Paulhan konnten sie abwenden). 1941-75 PDG der Edition Gallimard. Nach 1945 arbeiteten mit ihm u.a. Camus (Coll. Espoir), Claude Roy, Caillois, Aragon, Nimier, Mallet. Veröffentlicht nach dem 2. WK u.a. auch Beauvoir, Genet, Klossowski, Bosquet/Gorz, Ionesco, die Série Noire von Duhamel, Foucault. Verlegte auch sehr viele ausländ. Autoren.

Michel Gallimard: 1917-1960. Sohn von Raymond Gallimard (1883-1966, Ingenieur, Bruder von Gaston, einer der ursprünglichen Aktionäre von Gallimard). Seit 1940 im Verlag. Polit. links und ein Kunstliebhaber wie Gaston: Konflikt mit Claude: Gaston bevorzugte Michel. Fuhr das Auto, in dem er zusammen 1960 mit Camus tödlich verunglückte. Er hatte 1944/45 zusammen mit Sartre und Beauvoir an den Fiestas teilgenommen.

Robert Gallimard: 1925-2013. Sohn von Jacques Gallimard (Bruder von Gaston). Trat 1949 in den Verlag ein. Übernahm später die Leitung des Verlages (-1990). Nachdem sich die Beziehungen zw. Sartre und Parain Mitte der 50er Jahre verschlechterten, betreute er Sartre bis zu dessen Tod. Betreute 1966-87 die Serie Pléiade. Spielte bei der Veröffentlichung der unpublizierten Werke Sartres eine wichtige Rolle als Vermittler zwischen Beauvoir und Arlette.

Maurice Le Patronier de Gandillac: 1906-2006. In den Memoiren Clairaut genannt. 1946-77 Professor für Philosophiegeschichte an der Sorbonne. Präsident der Association des amis de Pontigny-Cerisy 1960-98. Freund (v.a. im Frühjahr 29) und Kommilitone von Beauvoir an der ENS (durch Merleau eingeführt). Kannte Sartre seit 1922. Freund von Merleau. Erzkatholisch, thomistisch. An der ENS Sympathisant der Action Française und Jünger von Maurras, hatte aber auch Kontakte zu Sartres Gruppe: war der Prügelknabe der petits camarades. Besprach 1945 L‘Être et le néant.

Roger Garaudy: 1913-2012. Philosoph, komm. Politiker. Mitglied des PCF (seit 1933), skrupelloser Stalinist, Protégé von Thorez, 1945-70 ZK-, 1956-70 Politbüro-Mitglied. Kritiker des Existentialismus und Sartres (u.a. Sartre als falscher Prophet 1945; in Une littérature des fossoyeurs als Cheftotengräber 1947, worauf Sartre ihn als Lakai bezeichnet, 1954 Diss. gegen den Existentialismus). Er nahm 1946 mit Mougin als Vertreter des PCF an einem „Versöhnungstreffen“ mit Sartre teil: kritisierte jedoch nur Sartre. Sartre kritisierte Garaudys naiven Szientismus 1946 in Matérialisme et révolution. Trotzdem hielt Sartre viel von Garaudy. 1954 soll Garaudy mit der Forderung nach einer marxist. Biographie unter Einbezug der Psychoanalyse den Anstoss zu L’Idiot de la famille gegeben haben. Sartre unterstütze 1955 Garaudys Parl.kandidatur. Nach 1956 langsam Öffnung: veröffentlicht 1959 Perspectives de l’homme: existentialisme, pensée catholique, marxisme mit Beitrag von Sartre. 1963 mit Sartre, Vigier und Hippolyte an Diskussion über Dialektik. Garaudy wurde zum Vertreter eines humanist. Kommunismus (gegen Althusser und dessen pro-chin. Haltung, aber auch gegen die „Italiener“). Kritisierte 1968 den Einmarsch in die Tschechoslowakei. 1970 Parteiausschluss. Danach Konversion zum Christentum und 1982 zum Islam mit extremen Aussagen über Juden und Holocaust. 1998 wg. Leugnung des Holocaust verurteilt.

Charles de Gaulle: 1890-1970. Führer des Freien Frankreichs in London, ab 1943 in Alger als Präsident des Comité français de libération nationale (zuerst gegen den Willen der Amerikaner, die Giraud favorisierten). Ministerpräsident 1944-46 (der prov. Reg.), 58-59, Präsident 1959-69. 1958 wurde de Gaulle zuerst, nach einem Aufruhr, von General Massu in Alger, dann vom Staatspräsidenten und vom Parlament an die Macht gerufen, um die Ordnung zu gewährleisten. Schaffte die IV. Republik zugunsten der Präsidialverfassung der V. Republik ab. Obwohl von den Militärs zum Schutz eines französischen Algeriens gerufen, verstand er es, wenn auch langsam, Algerien die Unabhängigkeit zu gewähren, ohne dass es zu einem erfolgreichen Staatsstreich kam. Den Putsch der Generäle in Alger 1961 und Attentate der OAS überlebte er. 1965 als Präsident widergewählt gegen Mitterrand (FGDS, unterstützt von PCF und Radikalen). Der Mai 68 führte zuerst zu seinem Faststurz noch während der Vorkommnisse (Flucht de Gaulles nach Dtld.) und nach einem misslungenen Referendum (über Dezentralisierung und Senatsreform) zu seinem Rücktritt 1969.

Philippe Gavi: Nach Abschluss HEC 1962 Journalist (Temps Modernes, Libération 1973-86, Nouvel Observateur 1986-2005, L’Express 2005-). Mitglied der VLR. Autor eines Buches über die Naxaliten, eine kommunistische Bewegung in Indien. Zählte in den Jahren 1972-75 zum innersten ideologischen Kreis um Sartre. Seine linken Ideen (bspw. Frauen- und Schwulenbewegung als mindestens so wichtig wie die Arbeiterbewegung; von der Gegenkulturbewegung in den USA beeinflusst, wo er lebte; brachte Marcuse mit Sartre in Kontakt) gefielen Sartre besser als Victors starrer Dogmatismus. War Mitautor des Buches On a raison de se révolter (Wiedergabe der Gespräche von 1972-74 zwischen Victor, Gavi und Sartre). Als Vertreter der Non-Maos 1973 Co-Chefred. mit July (Vertreter der Maos) der Zt. Libération (Gavi als Sartres Sprachrohr). Eng beteiligt am gescheiterten Fernsehprojekt für Antenne 2 (zusammen mit Victor und Beauvoir) sowie einer in Libération im April 75 von July redigierten Diskussionsreihe über die Nelkenrevolution in Portugal (mit Sartre, Beauvoir und Victor). Sein Interview mit Sartre Okt. 75, in dem Sartre Franco kurz vor dessen Tod als einen „romanischen Schweinehund“ bezeichnete, erregte grossen Ärger.

Alain Geismar: 1939-. Elsäss.-jüd. Herkunft. Bergbau-Ing.. Zuerst bei PSU, dann Maoist. 1966-70 Mitglied es Nationalkomites des CNRS. 1967 Generalsekretär der Hochschullehrergewerkschaft SNESUP: einer der Führer im Mai 68: war Sartres Hauptkontakt zu den Studenten während des Mai 68. Veröffentlichte 1969 mit July und Morane La Guerre civile an France. Unterbreitete Sartre schon 69 die Idee einer linken Zeitung. Mitglied der Gauche Prolétarienne und deren Sprecher. Vermittelte die Unterstützung Sartres für La Cause du peuple und damit den Kontakt zu Victor. Geismar wurde im Okt. 1970 wegen der Demonstation vom Mai zugunsten von La Cause du peuple der Prozess gemacht (18 Monate Haft). Statt als Zeuge dort zu erscheinen, zog es Sartre vor, auf einer Tonne vor dem Werk in Billancourt zu stehen und die Arbeiter um ihr Urteil zu bitten. Schloss sich dann dem PS an und arbeitete hier in Leitungspositionen im Bereich der Universitäten (ab 1974). 1990 Inspecteur général de l’Education nationale, Berater der sozst. Regierung in Erziehungsfragen. Dann wieder Univ.dozent.

Jean Genet: 1910-1986. Schriftsteller. Homosexuell. Wuchs als uneheliches Fürsorgekind bei einer Handwerkersfamilie in den Morvanbergen auf. Führte in den Jahren 1924 bis 1943 ein sehr unstetes Leben: er war in Besserungsanstalten (Mettray), Soldat (1929-36, u.a. in Syrien und Marokko), Deserteur, 1936/7 auf der Flucht durch Europa (Stricher und Zuhälter, Dieb und Räuber, Geldfälscher, Opiumschmuggler), zehn Verurteilungen wegen Diebstahl (1937-44). Schrieb 1942 ein Gedicht als sein erstes literarisches Werk: Cocteau war davon begeistert und wurde sein grosser Förderer; schrieb die Romane 1942 Notre dame des fleurs (im Gefängnis, veröff. 1944), Le Miracle de la rose 1946, Journal du voleur 1949 (Sartre gewidmet), Querelle 1953: beschrieb hier die homosexuelle Unterwelt. Mit seinen Dramen Les Bonnes (1947), Le Balcon (1956; von Sartre in France-Observateur 5.12.57 kritisiert), Les Nègres (1959) und Les Paravents (1961; ein Stück gegen den Algerienkrieg, das auf heftigen Widerstand bei der politischen Rechten stiess; Malraux unterstützte als Kulturminister jedoch Genet) in den 60er und 70er Jahren zu einem der meist gespielten Autoren. In seinen Dramen steht die Homosexualität hier nicht mehr im Zentrum. Wie bei Sartre war auch für Genet Schreiben eine psychoanalytische Selbsttherapie.

1944, noch während der Besatzung, wurde Sartre durch Olga Barbezat (oder Mouloudji) mit Genet bekannt gemacht. Marc Barbezat war Genets erster Verleger (später Gallimard, Einfluss von Sartre). In den USA hielt Sartre 45/46 Lobreden auf Genet, und widmete ihm Baudelaire, schrieb 1946 einen kleinen Beitrag für die Werbung für Le Miracle de la rose, verschaffte Genet 1947 den Prix de la Pleïade (Camus war dagegen). Sartre und Genet gingen öfters zusammen essen, wobei Genet gerne mit Sartre über Homosexualität diskutierte und ihm auch seine jungen Freunde vorstellte. 1948 wurde Genet auf eine Petition Cocteaus und Sartres (von Cocteau verfasst; inhaltlich falsch, weil die Gefahr einer Verurteilung übertrieben) mit den Unterschriften bekannter Künstler wie Picasso (aber Camus und die Kommunisten Aragon und Éluard unterschrieben nicht) durch den französischen Präsidenten Auriol endgültig begnadigt (da noch eine Bewährungsfrist lief, hatte Genet immer Angst, ins Gefängnis zu müssen). Camus empfand Genet offensichtlich als Rivalen – und Sartre zog Genet vor. Genet betrog (und oft auch bestahl) alle, die mit ihm zu tun hatten. Dies galt für Sartre wie für Cocteau oder Giacometti (1954 durch Sartre miteinander bekannt gemacht; schrieb Genet 1957 Essay über Giacometti, den Picasso als den besten Essay über Kunst bezeichnete). Nur gegenüber seinen „Adoptivsöhnen“ zeigte Genet Treue.

1952 veröffentlichte Sartre die Genet-Biographie Saint Genet als Vorwort zur Ausgabe der Genet-Werke. Nach Sartre war es Genets Moral, alle moralischen Normen der Gesellschaft zu verwerfen und ihre Verachtung auf sich zu nehmen, um so in Vollkommenheit und Makellosigkeit leben zu können. Saint-Genet war Sartres Interpretation von Genet. In seinem Grundtenor deckte sie sich sicher mit Genets Vorstellung. Genet liebte den Verrat, den Diebstahl, die homosexuelle Vergewaltigung, kurzum das Böse. In manchen Punkten widersprach sie jedoch der Wirklichkeit. Genet kam schon mit sieben Monaten, nicht erst mit sieben Jahren zu seinen Pflegeeltern, wo er eine sehr gute Jugend genoss. Es war eine Handwerker- und keine Bauernfamilie. Genet stahl zwar als Kind, doch er wurde nie öffentlich dafür gerügt. Dieses überwältigende Erlebnis der öffentlichen Bestrafung nach einem einmaligen Diebstahl im Alter von zehn Jahren, das sich in Saint Genet findet, gab es nicht. Auch behauptete Genet, zuerst schwul und dann Dieb und nicht umgekehrt gewesen zu sein. Die Differenzen zwischen Genets und Sartres Aussagen können allerdings auch ihren Grund in Genet haben, da Genet seine Aussagen gelegentlich änderte. Erst seit Edmund Whites Genet-Biographie ist vieles klarer in dessen Lebenslauf geworden. Sartre hatte 1950/51 intensive Diskussionen mit Genet über ihn selbst und die Homosexualität geführt. Das Dieb-sein war für Genet wichtig: führte sich gegenüber Cocteau und Sartre immer als brillanter Dieb auf, bestahl selbst seine Freunde (Giacometti), wobei er keine Rücksicht darauf nahm, dass das Diebesgut seinem Freund ausserordentlich teuer war. Genets erste Reaktionen auf Saint Genet waren durchaus positiv (grossartige Untersuchung, intelligent). Später beschwerte sich Genet, dass Cocteau und Sartre aus ihm eine Statue gemacht hatten. Die Freundschaft zwischen Sartre und Genet brach ab. Die Veröffentlichung von Saint Genet schien sich negativ auf die literarische Schaffenskraft von Genet ausgewirkt zu haben. Doch fragwürdig, ob Sartre hierbei überhaupt ein Einfluss zuzuschreiben ist. Genets Schaffensperioden waren kurz, aber dicht: 1942-47, aber auch dann wieder nach Saint Genet 1955-57. Die Brüche schienen eher damit zu tun zu haben, dass Genet die empirische Basis seines Schreibens weggebrochen war: er war nicht mehr im Gefängnis und nicht nur begnadigt, sondern sogar anerkannt. Auch gegenüber Cocteau zeigte Genet eher Ablehnung. Dankbarkeit war ihm unbekannt.

Setzte sich während des Algerienkriegs vehement für FLN ein. U.a. 16.5.55 Diskussion zw. Genet, Duras, Morin, Giacometti und Sartre über ein Manifest gegen die franz. Nordafrikapolitik, das zu einem Manifest führte, das auch Personen wie F. Mauriac und Sagan unterschrieben. Engagierte sich nach Mai 68 auf der linksextremen Seite (u.a. mit R. Castro). Ab 1970 zuerst für die Black Panther, später für Baader-Meinhof-Gruppe (1977 in Violence et brutalité eine Verteidigung der Gewalt; auch für Sowjetunion) und vor allem Palästinenser (u.a. 1982 in Beirut bei den Massakern von Chatila). Durch linksextremes Engagement wieder Annäherung an Sartre: Engagierte sich wie Sartre gegen den Tod von fünf Afrikanern und für Roland Castro im Jan./Feb. 70. Mit Sartre wieder im Herbst 1971 bei einem Protestmarsch gegen die Ermordung des 15-j. Algeriers Djellali Ben Ali, der von einem Franzosen ermordet wurde unter der Beschuldigung, seine Frau vergewaltigt zu haben. Gegensatz allerdings hinsichtlich der Haltung zu Israel: pro-israel. (Sartre, Foucault) vs. pro-palästinensische Fraktion (Genet und Maoisten). Genet näherte sich auch wieder den (pro-arab.) Kommunisten an. 1974 für Mitterrand als gemeinsamen Kandidaten von PC und PCF; Sartre dagegen: 3.5.74: Genets Angriff auf Sartre in Humanité, im Juni 74 nochmals. Beauvoir hatte für Genets schwule Seite des Lebens nur Verachtung. Trotzdem besuchte Genet Beauvoir noch in den 70er, als er mit Sartre keine Beziehung mehr hatte. Enge Freundschaft mit dem marokkanischen Schriftsteller Tahar Ben Jelloun. Förderte Goytisolo. Verbrachte in seinen letzten Jahren viel Zeit in Marokko, wo er auch beerdigt wurde.

François George: 1947-. Beamter, Philosoph, Schriftsteller. Alias François-George Maugarlone, Mathurin Maugarlone. Studierte bei Jankélévitch. 1977-81 in Red.komitee der TM.

Fernando Gerassi: 1899-1974. Istanbuler Jude, Maler. Genannt Boubou. 1918-24 Studium in Deutschland (u.a. Husserl, Heidegger), dann Kunst in Genf. Ab 1924 in Frankreich. 1929 Heirat mit Stépha Avdykovitch. 1929-32 als Lt. von Tungsram Spanien in Madrid. In Paris mit berühmten Malern wie Picasso, Utrillo, Chagall und Miró, aber auch Literaten wie Aragon und Triolet bekannt. 1932-36 pendelte zwischen Madrid, Paris und Barcelona als freischaffender Künstler. 1936-38 bei den Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg, zuletzt im Generalsrang, wo er viele prominente Linke (u.a. auch Zhukov, Longo, Togliatti, Nenni, Ehrenburg, Kantorowicz, Hemingway, Durruti) kennen lernte. 1939/40 im Rang eines Obersten in der franz. Armee. Emigrierte wg. Hitler 1941 in die USA. Arbeitete im 2. WK für die US-Armee. Trotzdem wurde ihm die Legalisierung seines Aufenthalts verweigert: erst nach indirekter Intervention von Calder, mit dem er befreundet war, bei Bobby Kennedy 1964 (nach 20 Jahren Erpressung durch den CIA). Gerassi soll Sartre in Husserls Phänomenologie eingeführt und ihn 1933/34 auch zweimal in Berlin besucht haben. Sartre lebte 1945 in New York bei ihm. Er war die Vorlage für «Pablo» in Les Chemins de la liberté.

John Gerassi: 1931-2012. Tito genannt. Politikwissenschaftler (zuletzt City Univ. of New York) und Journalist (Newsweek, Time, New York Times). Sohn von Fernando und Stépha. Studierte an Columbia Univ. und London School of Economics. Seit den 50er Jahren mehrfach für längere Zeit in Paris (1954, lehrte um 1970 in Vincennes). Engagierte sich aktiv gegen den Vietnamkrieg, weswegen er auch seine Stelle an der Universität verlor. Überzeugte im Auftrag Russells 1966 Sartre und Beauvoir, am Russell-Tribunal mitzumachen, wo er als Zeuge auftrat (besuchte 1966/67 N-Vietnam). Kämpfte in den USA an der Seite der Black Panthers und der Weathermen. Interviewte Sartre 1970-74 und veröffentlichte einen ersten Band dessen, was eine offizielle Biographie Sartres hätte werden sollen. Da nach französischem Recht auch die Rechte an einer Biographie einer Person auf deren Erbe übergeht und sich John Gerassi mit Arlette nicht gut verstand, kam es nicht zu einer Veröffentlichung der Interviews mit Sartre, sondern nur zu einer mit sehr vielen Fehlern durchsetzten Montage (Titel: Talking with Sartre).

Stépha Gerassi: geb. Avdykovitch, genannt Baba; Ukrainerin aus Lvov; Beauvoir lernte Stépha kennen, als diese Gouvernante bei den Kindern der Familie Le Coin, u.a. Zaza, war. Stépha war mit ihrem aufgeklärten Verhalten gegenüber Männern und Sex wie mit ihrem politischen Interesse, v.a. für eine unabhängige Ukraine, ein Vorbild einer aufgeklärten, befreiten Frau für Beauvoir. Nachdem es nach ihrer Auswanderung 1941 in die USA aufgrund der Distanz trotz Besuchen 1947, 48 und 50 in den USA zu einer Abkühlung des Verhältnisses zwischen ihr und Beauvoir gekommen war, belebte es sich Ende der 60er Jahre wieder.

Alberto Giacometti: 1901-66. Schweizer Bildhauer, lebte in Paris (1926-66 Atelier an 46, rue Hippolyte Maindron). Zuerst eher kubistische Plastiken, ab 1929 bei den Surrealisten unter Breton, nachher 1932-34 den linken Surrealisten unter Aragon nahestehend. Bekannter von Picasso. 1941 durch Sorokine mit Sartre und Beauvoir bekannt gemacht. War von 1942-44 zurück in der Schweiz. Fand um 1945 zu seinem Stil der dünnen Bronzeplastiken. Galt als einer der bedeutendsten existentialistischen Künstler. Wurde einer der wenigen ganz engen Freunde Sartres. Das Ehepaar Giacometti traf sich zeitweise regelmässig mit Sartre und Beauvoir. 1946-49 5 Sartre-Portraits. Die Missverständnisse über Sartres Bemerkung in Les Mots zu Giacomettis Unfall, der ihn lange behinderte, führte 1964 zum Bruch zwischen den beiden. 1948 und 1954 schrieb Sartre Vorworte zu Ausstellungen von Giacometti. Durch Sartre 1954 auch mit Genet bekannt gemacht (1954-57 mehrere Genet-Portraits).

Colette Gibert: in den Memoiren Cécilia Bertin, in Sartres Briefen an Beauvoir Martine Bourdin genannt; Schülerin bei Dullin und Philosophie-Studentin, mit der sich Beauvoir 1938 befreundete. Sie hatte Affären mit Merleau-Ponty, Jean Wahl wie Bouteng, einem rechtsextremen Schriftsteller. Schauspielerin bei Jouvet. Sartre hatte vorerst (1938) keine Lust, sie zu entjungfern. Vielmehr Lust hatte er jedoch, alle Details der Begegnung und auch ihren Körper bis in die Details Beauvoir mitzuteilen. Anschliessend kam es doch noch zu einem Verhältnis zwischen den beiden, das Sartre 1940 auf brutale Weise beendete. Befreundet mit u.a. Mouloudji.

André Gide: 1869-1951. Schriftsteller. Homosexuell, verheiratet. Neben Barrès und den beiden Dichtern Valéry und Claudel der bedeutendste Schriftsteller der neueren Generation zu Beginn des 20. Jh. Nobelpreis 1947. Aus bürgerl.-prot. Familie. Anfang 1890er Jahre Bekanntschaft mit Valéry, Mallarmé. Ab 1893 Reisen nach Nordafrika (erste homosexuelle Erfahrungen; traf Oscar Wilde und Lord Douglas 1895). 1902 L’Immoraliste (Durchbruch als Schriftsteller). 1908 Gründung von Nouvelle Revue Française (NRF). 1911 Corydon (Verteidigung der Päderastie; zuerst anonym, erst 1924 offiziell), 1914 Les Caves du Vatican (Mord Lafcadios als acte gratuit). 1916 Mitglied der Action Française. Ab 1916 Marc Allégret als Geliebter. 1920/26 Si le grain ne meurt (Autobiographie). 1925 Les Faux-Monnayeurs (erster Roman). 1925/26 Reise nach Afrika: Kritik am Kolonialismus in Voyage au Congo (1927). 1932-36 Engagement auf Seiten der Kommunisten: 1934 Reise nach Berlin mit Malraux zur Freilassung von Dimitroff und Thälmann; 1935 Ltg. des Premier Congrès international pour la défense de la culture (aber für Victor Serge). 1936 Reise in die Sowjetunion: Gedenkrede für Gorki auf Rotem Platz (mit Stalin, Molotov): Retour de l’U.R.S.S. (1936: Bruch mit Kommunisten, auch wg. Verfolgung der Homosexuellen in der UdSSR). Zuerst Pazifist, ab 1936 für militärische Allianz zwischen UdSSR, Frankreich und England. 1936 für Intervention in Span. Bürgerkrieg. 1939 in Südfrankreich (Cabris bei Grasse, passiver Pétainist), wo ihn Sartre 1941 aufsuchte, 1942-44 in Nordafrika (Gaullist). Unterstützte ab 1948/50 die Antikommunisten (u.a. am Congrès pour la liberté de la culture 1950 in Berlin).1952 auf den Index librorum prohibitorum der kath. Kirche gesetzt. Mit seiner freien Lebensauffassung und seinem polit. Engagement ein Vorläufer für alle progressiven Schriftsteller, auch für Sartre. Sartre traf ihn 1939, 41, 46, 50. Gide hielt schon bei Erscheinen von Le Mur viel von Sartre. Hielt Sartre offensichtlich für einen versteckten Schwulen. Auch Sartre schätzte Gide (nie eine Kritik an ihm). Las Gide erstmals 1920. Erwähnte Gide in den Kriegstagebüchern mehr als jeden anderen Schriftsteller. Einige Tage vor Kriegsbeginn Projekt der Beteiligung an Nummer der NRF zu Ehren von Gides 70. Geburtstag (nicht realisiert). 1946 widerspricht Gide heftig Sartre, als dieser in Présentation Flaubert und Goncourt für die Niederlage der Pariser Kommune verantwortlich machte. xxx

Étienne Gilson: 1884-1978. Philosoph (Mittelalter: Thomismus). 1921-32 Prof. Sorbonne, 1932-50 Collège de France. 1946 Mitgl. Académie Française. Um 1950 Protagonist in Le Monde für die Eigenständigkeit Europas und gegen eine Anlehnung an die USA oder UdSSR.

Henri Girard: 1917-87. Alias Georges Arnaud. Schriftsteller, Journalist, Politiker. 1941 des Mordes an seinem Vater und zwei andern verdächtigt, 1943 freigesprochen, nannte sich seither Georges Arnaud. 1947-50 in Lateinamerika (Taxifahrer u.ä.). 1950 erster Roman und lit. Erfolg. Ab 1957 Einsatz gegen Algerienkrieg (u.a. Pour Djamila Bouhired mit Vergès). Sartre unterstützt ihn, als er wegen illegaler Pressekonferenz angeklagt wurde. 1962-74 in Algerien im Exil, dann in Frankreich als TV-Journalist. Ab 1984 in Katalonien.

Jean Giraudoux: 1882-1944. Schriftsteller (Roman, Drama), Diplomat. ENS-Absolvent. Liebte Themen aus der Bibel und der klassischen Antike (Amphytrion, Judith, Elektra, Troia). Sein Roman Siegfried et le Limousin behandelt die Gegensätze und gegenseitige Abhängigkeit der deutschen und französischen Kultur. Sein Werk La Guerre de Troie n’aura plus lieu (1935) war ein Aufruf gegen die Unvermeidbarkeit des nächsten Weltkrieges. Arbeitete mit Louis Jouvet als Regisseur zusammen. 1939 Bewunderung für Hitler und Mussolini, Antisemit. 1940 besprach Sartre Giraudoux’ Werk Choix des élues. 1939/40 verantwortlich in der Regierung für Zensur und Gegenpropaganda.

Françoise Giroud: 1916-2003. Geb. als Lea France Goudji in Lausanne. Journalistin, Schriftstellerin, Politikerin (Rad.-Sozst., UDF). Türk. Abstammung. Im 2. WK in Résistance. Chefred. Elle 1945-53. Gründete 1953 mit Servan-Schreiber L’Express. Editorialistin beim Nouvel Observateur (1983-). Staatsekretärin für Frauenfragen 1974-76, Kultur 76-77.

Valéry Giscard d’Estaing: 1926-2020. Absolvent ENA. Als Republikaner Finanzminister 1962-66, 69-74. Verweigerte die Unterstützung de Gaulles bei dessen Referendum 1969 und war damit entscheidend an dessen Niederlage beteiligt. Präsident Frankreichs 1974-81 (gegen Mitterrand/PS, Chaban-Delmas/gaullis. UDR; aber Chirac für Giscard). Viele Reformprojekte (Scheidung, Abtreibung), prononcierter Europäer, Ausgleich mit UdSSR (ablehnend gegenüber den Dissidenten). Mitgründer der UDF, der Partei der nicht-gaullistischen Rechten und Mitte. Verliert 1981 gegen Mitterrand. 2001-03 Präsident des Europ. Konvents zur Ausarbeitung einer neuen EU-Verfassung. 2003 Mitgl. der Académie Française. Sartre bat ihn 1974 um die Einbürgerung von Pierre Victor, der Giscard, der Sartre sehr achtete, umgehend nachkam. Giscard hatte auch angeboten, dass der Staat die Beerdigungskosten für Sartre übernimmt. Sartre traf Giscard zusammen mit Glucksmann und Aron, als sie um die Aufnahme der Boat People aus Vietnam baten.

André Glucksmann: 1937-2015. Philosoph (Führender Nouveau Philosophe). Obwohl Mitglied des UEC, 1966/7 Arbeit am CNRS bei Aron (dessen Assistent). Sartre lernte ihn nach 1968 durch Geismar kennen. Verbündet sich nach 68 mit Clavel. Mitglied bei der Gauche Prolétarienne: für ihn war Frankreich wieder faschistisch. Sartre gab ihm 1970 ein Interview für den Hessischen Rundfunk. Mitbegründer von J’accuse: Sep. 71 Streit mit B. Lévy um Glucksmann Beitrag in La Cause du peuple-J’accuse über Attica. 1975 Bruch mit Marxismus nach der Solzhenitsyn-Affäre (schrieb 1976 La Cuisinère et le mangeur d’hommes, 1977 Les maîtres penseurs). Engagierte sich 1978 für die Boat People (Treffen mit Sartre und Aron bei Giscard), später für Irak-Kriege, Tschetschenen, gegen Putin.

Madeleine Gobeil: 1943-; Journalistin; Frankokanadierin; Freundin von Beauvoir: traf Beauvoir erstmals 1958, bis 60 regelmässig; 60-64 Studium in Ottawa, 64-71 Prof. für franz. Literatur in Carleton; 1971-97 bei der UNESCO tätig, zuletzt als Directeur, Division des Arts et de la Vie Culturelle, bei der UNESCO; machte Interviews mit Sartre (u.a. für Vogue 1965, Interview Sartres und Beauvoirs zus. mit Lanzmann für Radio Canada 1967)

Jean-Luc Godard: 1930-. Filmregisseur. Franzose und Schweizer. Mit À Bout de souffle Begründer der Nouvelle Vague (mit Truffaut) und Entdecker Belmondos. Viele politische und kritische Filme. 1968-73 als gauchistischer Kino-Agitator tätig.. Mitbegründer von J’accuse. Gab mit Sartre im Feb. 71 eine Pressekonferenz zur missglückten Besetzung von Sacré-Coeur.

Pierre Goldman: 1944-79. Sohn jüdischer Résistance-Kämpfer; revolutionärer Aktivist, u.a. im Mai 68. Wegen bewaffnetem Raubüberfall und Doppelmord 1974 verurteilt. Veröffentlichte 1975 seine Souvenirs obscurs d’un juif polonais né en France. Sartre setzte sich für seine Freilassung ein. Das Urteil wurde 1975 aufgehoben. 1976 Mitglied der Redaktion der TM. 1979 von Rechtsextremisten ermordet.

Lucien Goldmann: 1913-70. Philosophie- und Literatursoziologe. Rumän.-jüd. Herkunft. Ab 1934 in Frankreich. Beeinflusst von Hegel, Marx und frühem Lukács lehnte er schon in den 50er Jahren den traditionellen Marxismus, dann auch den Strukturalismus ab.

Eduard Goldstücker: 1913-2000. (Tschecho-)Slowakischer Literaturhistoriker, Germanist und Diplomat. 1950/51 Botschafter der CSSR in Israel. 1951 im Zuge der Slánský-Affäre zu lebenslanger Haft verurteilt, 1955 rehabilitiert: 1958-68 Prof. f. Germanistik an Karlsuniv. in Prag. 1963 Org. der der Kafka-Konferenz in Liblice. Nach Einmarsch in CSSR Emigration (UK, D). 1990 Rückkehr in CSSR. Im Nov. 63 Teilnehmer an Diskussion über Kafka und Dekadenz mit Sartre.

Julián Gómez García: 1901-1987. Genannt Gorkín. Kommunist, ab 1929 Anti-Stalinist, Einer der Führer des Bloque Obrero y Campesino, der mit den Trotzkisten zusammen 1935 die POUM gründete. Chefredaktor der POUM Zt. Batalla. 1937 nach Ermordung Nins Vorsitzender der POUM. 1938 von den Kommunisten verhaftet. Dann im franz. Exil.

Edmond, 1822-96, und Jules,1830-70, de Goncourt: Schriftsteller. Vorläufer des Naturalismus. Begründeten Académie Goncourt, die den Prix Goncourt für die beste Prosa vergibt (Malraux 1933, Simone de Beauvoir 1954, Jean Cau 1961)

André Gorz: 1923-2007 (Selbstmord mit seiner Frau). Geboren als Gerhard Hirsch, ab 1930 Gerhard Horst. Journalist (Alias: André Gorz im TM, als Michel Bosquet ab 1955 Express, 1964-83 beim Nouvel Observateur), Sozialtheoretiker. Österreichischer Herkunft. Vater Jude, deshalb 1939-49 in der Schweiz (u.a. Chemiestudium in Lausanne), wo er 1946 Sartre traf. Ab 1949 in Paris. 1961-74 in der Leitung der TM. Beeinflusst von Sartre, dann radikalen Italienern (der komm. Neokeynesianer Bruno Trentin, der libertäre Syndikalist Vittorio Foa; beeinflusst als Vertreter der „ital.“ Linken UNEF und CFDT), dann von Illich, befreundet mit Marcuse. Theoretiker der modernen Gesellschaft, für Kombination von individueller und sozialer Befreiung und Ökologie, Kritiker der modernen Technik, aber auch des traditionellen Marxismus. Verfasste als Gerhard Horst schon 1946 einen Beitrag über den Existentialismus bei Sartre in der österr. Zs. Der Turm. Mit seiner Stellungnahme Détruire l’université von 1970 bewirkte er den Austritt von Pingaud und Pontalis aus der TM. Schied selbst 1974 im Streit über Sondernummer (Nr. 335) über Lotta Continua aus der Red. der TM aus. Schon früh ein Grüner: 1971 Mitbegründer der Amis de la Terre; 1975 Veröffentlichung der Aufsatzsammlung Écologie et politique. Schrieb u.a. Le Traître (1957, mit Vorwort Sartres), Stratégie ouvrière et néo-capitalisme (1964), Le Socialisme difficile (1967), Écologie et politique (1975), Adieux au prolétariat (1980). War gegen Produktivismus, Kapitalismus, Utilitarismus, für Autonomie, Selbstverwaltung, Ökologie, bedingungsloses Grundeinkommen. Für Beauvoir war er der geistige Erbe Sartres.

Juan Goytisolo: 1931-2017. Spanischer Schriftsteller. 1956-96 in Paris, seitdem in Marokko. Homosexuell. Heiratete Monique Lange. Seit den 50er Jahren mit Sartre und Beauvoir befreundet (begleitete Beauvoir und Algren 1960 durch Spanien). Arbeitete bei Gallimard und für Express und Observateur. Sympathisant der Kommunisten (Claudín, Semprún). Unterstützte den FNL in Algerien und die kubanische Revolution. Durch Lange mit Genet bekannt gemacht, der zu seinem Vorbild wurde und mit dem er die Vorliebe für Nordafrikaner teilt. Verteidigt in seinen Büchern die Homosexualität und den Einfluss der islamischen Welt auf Europa und insbesondere Spanien. Engagierte sich 1971 für Padilla (bewog Sartre zur Mitunterschrift unter Protestbrief). Setzte sich später für Bosnier und Tschetschenen ein.

Juliette Gréco: 1927-2020. Chansonnière und Filmschauspielerin. Idol der existentialistische Jugend 1946-49. Befreundet mit Cazalis und B. Vian: Muse von St. Germain: mit Cazalis die Könginnen des Tabou. Sartre lernte sie durch Cau kennen. Cazalis brachte sie dazu, erstmals zu singen. Sartre forderte sie bei einem Gespräch im Klub Bœuf sur le Toit zum Singen auf und gab ihr ihr erstes Lied (La Rue des Blancs-manteaux aus Huis clos). Erst nachdem Gréco gesagt hatte, dass sie eine Beziehung zu Sartre habe, kam es zu einer kurzen Beziehung zw. der (bisexuellen) Gréco und Sartre.

Jean Grenier: 1898-1971, Philosoph, Schriftsteller. Beeinflusste als Phil.lehrer in Alger Camus. Enge Beziehung zu Camus. Selbst als Philosoph eher kontemplativ-taoistisch. 1962-68 Prof. für Ästhetik an der Sorbonne. Traf sich mehrfach mit Sartre: fragte als erster Beauvoir, ob sie Existentialistin sei. Schlug Sartre Zus.arbeit vor.

Julián Grimau: 1911-63, spanischer kommunistischer Politiker; 54 ZK-Mitglied des PCE, ab 59 Aufenthalt in Spanien; 1962 verhaftet, 1963 hingerichtet durch Franco-Regime: Protest Sartres

Bernard Groethuysen: 1880-1946. Russisch-holländischer Abstammung. In Berlin geboren, in Deutschland und Österreich aufgewachsen. Studierte bei Dilthey. Beeinflusst auch von Bergson und Simmel. Arbeitete mit Alix Guillain, Kommunistin und seiner langjährigen Lebenspartnerin, an der Französisch-Übersetzung von Simmel. Während des Ersten Weltkriegs in Frankreich interniert. Seit 1920 Hauptwohnsitz in Paris. Gleichzeitig als Privatdozent, 1931-34 Professor in Berlin. Lektor und Hausphilosoph bei Gallimard, zuständig für die Bibliothèque des idées (1927 gegr. zusammen mit Paulhan): hier veröffentlicht L’Imaginaire (1940; auf dessen Verlangen wurde das letzte Kapitel über Kunst in L’Imaginaire aufgenommen) und Les Mouches (1943). Kommunist. Freund von Malraux und Paulhan. Machte Kafka und Hölderlin in Frankreich bekannt. Setzte sich für die Vermittlung der neueren deutschen Philosophie (u.a. auch Heidegger) in Frankreich ein. Sprach sich für die Aufnahme Sartres ins Programm von Gallimard aus, hatte jedoch wenig Beziehung zu ihm. Gab auch die Reihe Les Classiques de la Liberté heraus: 1. Band über Descartes: Texte von Sartre ausgewählt und mit einer Einführung (La Liberté cartésienne) versehen.

Francis Gruber (Grüber): 1912-48. Maler. Sohn aus der elsässischen Glasmalerfamilie Grüber (Jugendstil). Freund von Hélène de Beauvoir und Giacometti (trifft Giacometti 1938), Schüler von Braque.

Jean-Jacques Gruber (Grüber): 1904-88. Glasmaler. War mi Nizan Sartres engster Freund an Lycée Henri IV. (ab 1920) und in der Khâgne am Lycée Louis-le-Grand. Studierte an der Sorbonne (Kunstgeschichte). Ab 1924 Glasmaler bei seinem Vater, ab 1936 Lt. der väterlichen Glasmalerei (div. Kathedralen). In der Résistance. Anhänger eines personalist. Sozialismus (Marc Sangnier; «Jeune République»), ab 1960 bei PSU.  

Félix Guattari: 1930-92. Psychoanalytiker. Von Lacan beeinflusst. In den 50er Jahren Trotzkist. Gründungsmitglied von Voie Communiste. Aktive Teilnahme im Mai 68. Veröffentlichte mit Deleuze zusammen L’Anti-Œdipe (1972): in ödipaler Phase Vergesellschaftung des Individuums durch Erzeugung materialistischer Wünsche. Herausgeber der Zs. Recherches des Centre d'Etudes, de Recherches et de Formation Institutionnelles (CERFI, 1965-1987): u,a, 1973 Trois milliards de pervers. Grande Encyclopédie des Homosexualités.

Jean Guéhenno: 1890-1978. Professor, Schriftsteller, Journalist. Kämpfte für Humanismus, sozialen Fortschritt, Menschenrechte und Freiheit. Absolvent ENS. 1928-36 Leiter der Zeitschrift L’Europe, die er wegen zu pro-kommunistischem Kurs verliess. Nachher mit André Chamson Gründer und Leiter der Wochenzeitung Vendredi (1934-38). Trotz Kritik an den Moskauer Schauprozessen 1936 verweigerte er Gide eine Antwort auf Ehrenburgs Angriffe gegen Retour de l’URSS. Während Besetzung beteiligt an CNE und Les Lettres françaises. 1944/45 in prov. Reg. für Volkskultur und Jugendbewegungen zuständig, dann –1961 Generalinspekteur für Erziehung. Ab 1945 Mitarbeit beim Figaro. Unterschrieb 1947 das Manifest gegen die Verleumdung Nizans durch den PCF. 1962 Mitgl. Académie Française.

Daniel Guérin 1904-88. Libertärer Anarchist. Schriftsteller, Journalist (Gründer des Observateur), Soziologe, Historiker. Nacheinander Anarchosyndikalist, anfangs der 30er Jahre libertärer Kommunist (Pierre Monatte), Mitglied des SFIO, 1938 des PSOP (Marceau Pivert), Trotzkist, Mitglied des PSU, ab 1971 der Organisation révolutionnaire anarchiste, dann der anarchosyndikalistischen Union des travailleurs communistes libertaires. Kämpfer gegen den Kolonialismus seit den 20er Jahren. Früher Gegner der Nazis. Nach Erfahrung mit Hitlers Nazitum in Dtld., dem Stalinisten im Span. Bürgerkrieg und der Rassentrennung in den USA: als Skeptiker für libertären Kommunismus. Selbst homosexuell setzt er sich für die Emanzipation der Schwulen ein (Homosexualité et révolution, 1983). Veröffentlichte 1946 La Lutte de classes sous la première république, in dem er entgegen den historischen Wurzeln der Volksfront-Ideologie feststellte, dass die Aussenpolitik wie der Kampf um nationale Befreiung ihre Wurzeln in den Klasseninteressen haben. Sartre lobte in Questions de méthode (1957) dieses Werk und kritisierte einen marginalen Punkt, was eine kurzfristige Debatte zwischen den beiden auslöste. Arbeitete gelegentlich für TM: Jan. 53 Beitrag gegen Unterdrückung im Maghreb Algerien. Unterschrieb Manifest der 121.

Jacqueline Guerroudj: geb. Netter, 1919 (Rouen) -2015 (Alger) ; Schülerin von Beauvoir in Rouen, 1948 mit 1. Ehemann Pierre Minne nach Algerien, heiratete 1950 Abdelkader Guerroudj, der Mitglied der alger. KP und deren Verbindungsmann zum FLN/ALN war. Sie gaben Material zum Bau einer Bombe an Fernand Yveton, der für das misslungene Bombenattentat als einziger Weisser in Algerien von den Franzosen exekutiert wurde. 1957 verhaftet. Prozess gegen die Guerroudjs im Jan. 58. Beauvoir setzte sich für sie ein, sodass das Todesurteil widerrufen wurde.

Ernest „Che“ Guevara: 1928-67. Argentinier. Enger Mitarbeiter von Castro. 1967 in Bolivien als Rebell erschossen. Sartre traf ihn bei seinem Kuba-Besuch 1960. Das bekannte Portät von Guevara, das Alberto Korda am 5.3.60 schoss und weltweit Verbreitung fand, wurde am Tag nach der Explosion des Frachters La Coubre an einer Veranstaltung mit Fidel Castro und u.a. auch Sartre und Beauvoir aufgenommen, von denen Korda ebenfalls Fotos schoss.

Pierre Guille: -1971. in den Memoiren Pierre Pagniez genannt. Enger Freund Sartres aus Khâgne und ENS. Nach dem Studium Arbeit als Sekretär der Deputiertenkammer und der Nationalversammlung. Trat ein Jahr nach Sartre in die ENS ein. Protestant, Bauernsohn. Sehr enger Freund von Madame Morel, bei der er auch ein Zimmer hatte. Seine Frau wurde von Sartre und Beauvoir Bel Eute genannt. War mit Sartre zusammen im Militärdienst bei den Meteorologen, anschliessend Lehrer. Vom Charakter her eher dem Praktischem zugetan, bescheiden, vollkommen unambitiös, nur an guter Literatur, guter Konversation, an Weibergeschichten und gutem Essen interessiert. Wollte keine Theorien verfassen, sondern nur das Leben geniessen. Sartre und Guille liebten es, stundenlang über Menschen zu sprechen und sie zu verstehen zu suchen. Neben Nizan und Beauvoir einen von Sartres drei intimen Freunde: doch Verhältnis nie sehr eng: zu unterschiedl. Lebenswelten, Konkurrenten bei Mme Morel, die Guille eindeutig vorzog. Beauvoir hatte zwei Mal in den frühen 30er Jahren eine Affäre mit ihm. Guille 1932 zusammen mit Sartre, Beauvoir und Mme Morel in den Ferien in Spanien. Beziehung zu Guille in den 30er Jahren durch Zuorro nachhaltig gestört. Während Volksfront und Spanischem Bürgerkrieg ernste politische Meinungsverschiedenheiten zwischen Sartre und dem sozialdemokratischen Guille: dieser war zwar für die Volksfront, aber gegen Streiks, Fabrikübernahmen durch Arbeiter oder eine Intervention in Spanien. Daraufhin nur noch wenige Kontakte: zur Vichy-Zeit politisch wieder näher. Nach Ende des Krieges kaum Kontakte (Bel Eute verstarb), ab 1950 hörten sie ganz auf: Guille war zu einem sehr bürgerlichen und konservativen Menschen geworden. Vollständiger Bruch, als Guille sich weigerte, sich mit Pingaud und Pouillon zu solidarisieren, die wegen der Unterzeichnung des Manifestes der 121 1960 ihrer Ämter enthoben worden waren.

Henri Guillemin: 1903-92. Historiker, Literaturkritiker. Aus Mâcon wie Sartres Grossmutter. Sartre kannte ihn aus der Zeit an der ENS. Christlich-sozial-pazifist.: Sekretär von Marc Sangnier, der Begründer der Bewegung Sillon. Befreundet mit Mauriac, auch Claudel. Lebte 1942-62 an der franz. Botschaft in der Schweiz, ab 1962 teils in Mâcon, teils in Neuchâtel. Kritiker falscher Idole (Napoléon, Vigny, Péguy, Thiers). Sein Buch Le Coup du 2 décembre beeindruckte Sartre tief, da es ihm den letzten Glauben an bürgerlichen Schein, seine Tugenden und Umgangsformen nahm. Nach der Lektüre dieses Buches war Sartre klar, dass die Welt nichts als Klassenkampf ist.

Louise Guillemin: 1850 (Mâcon)-1932 (Paris). verh. mit Charles Schweitzer. Sartres Grossmutter. Mamie genannt. Aus sehr kath. Familie. Sartre spielte Klavier mit ihr.

Paul Guth: 1910-97. Schriftsteller, Journalist (v.a.Le Figaro). Am Lycée Louis-le-Grand (mit Maulnier, Pompidou, Senghor, Césaire, Vailland, Etiemble). Studierte Sprachen an der Sorbonne. Gab Unterricht 1945 auf. Wenig erfolgreich: trotz grossem Bemühen gelang es ihm nicht, Mitglied der Académie française zu werden. War in Rouen Kollege von Beauvoir, wo ihm damals ein böser Streich gespielt wurde (Sartre gab sich als Pierre Bost aus); schrieb später sehr kritische Artikel über Sartre in Le Figaro.

Renato Guttuso: 1912-87. Ital. Maler des (sozst.) Realismus. Ab 1940 Mitglied PCI. Befreundet mit Picasso. Bekannter Sartres (seit 1946).

Jiři Hájek: 1913-93. Tschechoslowakischer Politiker und Diplomat. 1948-69 ZK-Mitglied. 1950-53 Rektor der Wirt.univ. Prag.1955-65 im dipl. Dienst (Botschafter UK, UNO, stv. AM). 1965-68 Min. f. Erziehung. Apr.-Sep. 68 Aussenmin. Nach Einmarsch des Warschauer Pakts abgesetzt, 1970 aus KP ausgeschlossen. 1977 mit V. Havel, Z. Mlynář und P. Kohout Gründer der Charta 77. Im Nov. 63 Teilnehmer an Diskussion über Kafka und Dekadenz mit Sartre.

Élie Halévy: 1870-1937. Philosoph, Historiker. ENS. Lehrte v.a.in England: über brit. Utilitaristen. Kritiker des Sozialismus: Sozialismus als Rückschritt hinter Franz. Rev. Der freie Markt als wahrer Pazifismus. Beeinflusste Aron. Sartre las H.’s L’Histoire du socialisme européen (Widerspruch zw. mehr Freiheit und mehr Staat) im Erscheinungsjahr 1948.

Gisèle Halimi(-Taïeb): 1927 (Tunis)-2020. Berberisch-jüdischer Herkunft. Zuerst Anwältin in Tunesien (verteidigte Bourghiba), ab 1956 Anwältin in Paris. Sartre und Beauvoir lernten Halimi 1960 als Anwältin von Djamila Boupacha kennen, einer jungen von französischen Soldaten gefolterten Algerierin. Heiratete 1961 in 2. Ehe Claude Faux. Arbeitete am Russell-Tribunal mit. War Beobachterin am Prozess von Burgos (Buch mit Vorwort von Sartre). Sartres Anwältin 1971 im Prozess gegen die Minute-Journalisten. Beauvoir arbeitete mit ihr in den 70er Jahren im Rahmen von Choisir (1971 von Halimi mitbegründete Vereinigung für freien Schwangerschaftsabbruch, der erst 1975 teilweise gewährt wurde) zusammen, allerdings nicht ohne Spannungen. Unterschrieb 1971 das Manifest der 343. Befreundet mit Mitterrand. Erfolglos in der Politik. Mitglied des Gründerkollegs von Attac 1998. Mutter von Serge Halimi (Professor, Journalist und Leiter des Monde diplomatique)

Jean-Edern Hallier: 1936-1997. Schriftsteller. Gründet 1960 mit Ph. Sollers die Zeitschrift Tel quel, von der er 1963 ausgeschlossen wurde. 1969 Gründer von L’Idiot International (-72, mit Beauvoir als Herausgeberin), der bedeutendsten und originellsten unter den neolinken Zeitschriften im Nach-Mai. Animator der Secours Rouge. Ging 1974/75 zur Nouvelle Droite über und wurde zum Kritiker Sartres. Gründete 1974 die Editions Hallier, übernahm 1976 Maspéro. Heftiger Kritiker Mitterrands, unterstützte Chirac 1995.

David Hare: 1917-92. US-Bildhauer, Fotograph, Maler. Seit den 40er Jahren den Surrealisten nahe (Beton, Duchamp, Ernst) . Verheiratet mit Jacqueline Breton, der ehemaligen Frau von André Breton. Zu seiner Ausstellung in Paris 1947/8 schrieb Sartre einen Text. Lebte 48-53 in Paris.

Maurice Hauriou: 1856-1929. Jurist, Rechtssoziologe. Prof. in Toulouse. Gegner von Duguit. Sartre lehnt Haurious Staatsverständnis (der Staat als Person eigenen Rechts im Stile Bodins, Hobbes) in La Théorie de l’État dans la pensée moderne française (1927) ab.

Mohamed Hassanein Heikal: 1923-2016. Ägypt. Journalist, 1957-74 Chefhg. von Al-Ahram. Befreundet mit Nasser: polit. sehr einflussreich (Panarabist). Lud offiziell Sartre 1966 nach Ägypten ein.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel: 1770-1831, dt. Philosoph. Hauptwerke: Phänomenologie des Geistes (1807), Wissenschaft der Logik (1812-16). Rezeption in Frankreich: 1929 Le Malheur de la conscience dans la philosophie de Hegel von Jean Wahl (von Sartre gelesen), 1933-39 Kojèves Hegel-Vorlesung. 1938 Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte auf franz., 1939 Phänomenologie des Geistes auf franz. 1939 Morceaux choisis (hg. Henri Lefebvre ; von Sartre reichlich zitiert), 1940 Grundlinien der Philosophie des Rechts auf franz., 1949 Logik auf franz. .

Martin Heidegger: 1889-1976. 1919-23 Assistent bei Husserl in Freiburg. Dann Professor in Marburg und anschliessend in Freiburg (1928-45, 51-58, davon 33/34 als Rektor). Sein wichtigstes Werk: Sein und Zeit (1927). Heidegger schloss sich zuerst den Nazis an, da er sich von ihnen einen Wiederaufschwung im Stile Nietzsches erhoffte. Zog sich jedoch schon 1934 desillusioniert aus der Politik zurück, verblieb jedoch bis 45 Mitglied der NSDAP. Der grösste Vermittler Heideggers in Frankreich war Beaufret. Sartre las Sein und Zeit auf deutsch im Stalag 1940. Traf Heidegger 1952 in dessen „Adlerhorst“ im Schwarzwald: sie hatten sich jedoch nichts zu sagen, so dass Sartre nach einer halben Stunde das Treffen abbrach. Rezeption in Frankreich: 1931 Auszüge von Was ist Metaphysik? in Bifur. 1932 Übersetzung von Vom Wesen des Grundes in Recherches philosophiques. 1938 Heidegger-Auswahl unter dem Obertitel Qu’est-ce que la métaphysique?. (mit: Was ist Metaphysik?, Vom Wesen des Grundes, Auszüge aus Sein und Zeit (§46-54,72-76), Kant und das Problem der Mtaphysik, Hölderlin und das Wesen der Dichtung). 1942 erste französische Monographie: La Philosophie de Martin Heidegger von Alphonse de Waelhens. Corbin hat mit seinen Übersetzungen von Was ist Metaphysik? und Sein und Zeit das „Heideggersche“ Vokabular auf franz. neu geschaffen und teilweise entfremdet.

Gerhard Heller: 1909-82. Während dt. Besatzung in Paris verantwortlich für Schrifttum (40-42 bei Propagandastaffel, 42-44 bei Botschaft). Frankophil. Mitglied der Jugendbewegung, seit 1934 der NSDAP. Befreundet mit Ernst Jünger, Jouhandeau, Paulhan (ab Nov. 41). Veröffentlichte 1981 Un Allemand à Paris 1940-1944. Behauptete darin, dass er die Aufführung der Mouches ermöglicht hatte und dass ihm der tiefergehende Sinn von Les Mouches nicht entgangen sei. Traf sich jedoch nie mit Sartre. Erwähnte aber La Nausée neben Gilles von Drieu und Monsieur Godeau von Jouhandeau als qualitative Massstäbe für die zu fördernde Literatur.

Ernest Hemingway: 1899-1961 (Selbstmord). Schriftsteller, Reporter (1. WK, Griech.-türk. Krieg 1922, Span. Bürgerkrieg, 2. WK). 1954 Lit. Nobelpreis. Homophober Macho, Tiefseefischer, Corrida-Fan, Grosswildjäger. Lebte 1921-27 als Zeitungskorrespondent in Europa, v.a. in Paris, wo die Sitten locker waren und es keine Prohibition gab. 1927-36 in Key West. 1936/37 war er Kriegskorrespondent im Spanischen Bürgerkrieg auf republikanischer Seite (For Whom the Bell tolls): damals Weggenosse der Kommunisten. Hernach bis 1960 immer wieder auf Kuba. Es waren vor allem Men without Women (auf franz. Cinquante mille dollars; 1927) und The Sun also rises (engl.: Fiesta, 1926), die ihn 1933 mit Hemingway vertraut machten. Seine Romane sind prä-existentialistisch: in deren Zentrum der freie Mann, der sich in Grenzsituationen bewähren muss. Sartre lernte ihn bei der Befreiung von Paris kurz kennen und besuchte ihn 1949 auf Kuba.

Juan Hermanos: Anonymer Verfasser (gem. Francisco Caudet stand es für Dionisio Ridruejo, 1912-75, span. Schriftsteller und Politiker, zuerst Frankist: während Bürgerkrieg Gen.dir. für Propaganda; brach 1942 mit Franco), zu dessen Buch La Fin de l’espoir Sartre 1950 ein Vorwort schrieb: keine Hoffnung, dass Spanien bald eine Demokratie wird.

Lucien Herr: 1864-1926. Elsässer. 1888-1926. ENS-Absolvent, bis 1926 Bibliothekar der ENS. Bedeutend in der Bewegung für Dreyfus (mit Zola, Clemenceau, Jaurès, Lazare, Scheurer-Kestner und Péguy): machte ENS zu einer Speerspitze im Kampf für Dreyfus; Mitbegründer der Ligue des droits de l’homme. Sozialist (zuerst bei Allemanes Parti ouvrier socialiste révolutionnaire) und Inspirator von Jaurès und Blum. Pazifist, Deutsch- freundlich. Herr macht die ENS zu einer Speerspitze im Kampf für Dreyfus. 1904 Mitbegründer von L’Humanité. 1920 mit SFIO gegen SFIC.

Édouard Herriot: 1872-1957. Linksbürgerlicher, radikalsozialist. Politiker. ENS-Absolvent. Politisierung durch Dreyfus-Affäre. 1924-25, 26, 32 Ministerpräsident (Cartel des gauches von Radikalsozialisten mit SFIO), 1924-25 Aussenminister. Kämpfte parteiintern gegen die radikaleren Jungtürken (u.a. Mendès France), die Daladier unterstützten. 1936-40 Präsident der Deputiertenkammer, 1947-54 der Nationalversammlung. Anerkennung der UdSSR 1924, Räumung der ersten Zone des Rheinlands 1925. 1954 Intl. Friedenspreis (des pro-komm. Weltfriedensrat). War 1925 an Schülerrevue in ENS mit Sartre dabei.

Pierre Hervé : 1914-93. Kommunist. Sekretär UFE (UEC), führendes Mitglied der Résistance (Weggefährte von d’Astier de la Vigerie). Mitarbeiter von Libération, Mitbegründer von Action (Chfred. 1948-52), 1947-50 stv. Chefred. L’Humanité: nach PCF-kritischer Radiosendung 1947 schimpft er Sartre den Hofnarren Ramadiers: eigentlich war Hervé eher pro-Sartre, musste jedoch der Parteilinie folgen. 1953 vertritt er die sowjet. Haltung in der antisemitischen Ärzteverschwörung in Moskau. 1955 kritisierte er den PCF wg. scholastischer Gesinnung (siehe Sartres Artikel Le Réformisme et les fétiches), 1956 ausgeschlossen. Hernach bei SFIO und Linksgaullisten. 1945-52 einer der kommunistischen Gegner von Sartre und RDR.