Sartres Zeitgenossen — Kurzbiographien Hi–La
Nazım Hikmet: 1902-63. Begründer der modernen türk. Lyrik. Kommunist. Lebt. z.T. in der UdSSR (u.a. 1951-63), mehrfach in türk. Haft (u.a. 1938-50; begnadigt nach intl. Protesten). Am Schluss parteikonformer Paradeintellektueller. Sartre trifft ihn 1958, Dez. 64 Botschaft an Gedächtnisveranstaltung zu Ehren Hikmets
Quintin Hoare: 1938-; Übersetzer, Journalist. 1963-79 Managing director der New Left Review. Interview 1969 mit Sartre.
Guy Hocquenghem: 1946-88 (AIDS). Schriftsteller, Absolvent ENS, Univ.dozent (Philosophie). Seit 1962 Freund und Geliebter Schérers. 71 Leitend im FHAR (Front Homosexuel d’Action Révolutionnaire), zuvor bei LCR, dann bei VLR. Führender Mitarbeiter von Tout! (verantwortlich u.a. für Ausgabe über Homosexualität 1971) und Libération (1976-82). Veröffentlichte sein Coming-out als Schwuler 1972 im Nouvel Observateur (erstes öffentliches Coming-out). Le Désir homosexuel (1972; nicht die Homosexualität ist das Problem, sondern die Angst vor der Homosexualität.) war ein Klassiker der schwulen Bewegung. Trat zusammen mit Foucault 1977 für eine Aufhebung der Altersgrenze für Sex zwischen Erwachsenen und Kindern ein. Beeinflusst von Deleuze und Guattari. Kritisierte in Lettre ouverte à ceux qui sont passés du col Mao au Rotary, die zu den Nouveaux Philosophes abgedrifteten ex-Maoisten, lobte Sartre (aber auch mit Kritik an L’Enfance d’un chef).
Adolf Hoffmeister: 1902-73. Maler, Schriftsteller. Linksintellektueller. 1939-45 im Exil (F, Marokko, USA). 1948-51 Botschafter in Frankreich. 1968 Anhänger des Prager Frühlings. 1968-70 Prof. in Vincennes, 1970 Rückkehr: innere Emigration. Sartre traf ihn 1963 in Prag (Teilnehmer an Diskussion über Kafka und Dekadenz): Freundschaft.
Sidney Hook: 1902-89. US-Philosoph (Pragmatist), Schüler von Dewey. Zuerst Kommunist, dann mit James Burnham 1933 Organisator der trotzkist. American Workers Party. In Kaltem Krieg vehementer Antistalinist, 1950 Mitorganisator des antikommunist. Kongresses für kulturelle Freiheit.
Victor Hugo: 1802-1885. Dichter und Schriftsteller, Begründer der französischen Romantik. Zuerst Royalist. Dann für Humanismus und Fortschritt. Politisch auf der (rechts-)liberalen Seite tätig (1848 Präsidentschaftskandidat). 1841 Mitglied der Académie Française. 1845 zum Pair (Adelstitel) ernannt. 1848-51 Mitglied der Constituante (zuerst Rechts, dann Links). 1851-70 unter Napoléon III. im Exil. Ab 1871 Mitglied der Nationalversammlung resp. Senat.
Jean René Huleu: Journalist. 1972 Mitbegründer der Zt. Libération (-73). Später Cahiers du Cinéma, Géo (Chefred.)
Edmund Husserl: 1859-1938. Deutscher Philosoph. Jude. Ab 1916 Professor in Freiburg i.Br.. Begründer der Phänomenologie. Beeinflusste Hartmann, Heidegger und Scheler. Rezeption in Frankreich: 1929 Husserl-Vorlesung in Paris (von Sartre versäumt): 1931 von Lévinas und Gabrielle Pfeiffer als Méditations cartésiennes veröffentlicht. In F oft nur aus zweiter Hande bekannt: Gurvitch, Les tendances actuelles de la philosophie allemande (1930) und Artikel, Übersetzungen und Rezensionen in der Revue de Métaphysique et de Morale und der Recherches philosophiques. Erste Veröffentlichungen über Husserl in F: neben Sartre 1940 Gaston Berger, Le Cogito dans la philosophie de Husserl. 1942 Merleau-Ponty La structure du comportement und 1945 La phénoménologie de la perception.
John Huston: 1906-87. Filmregisseur: 1947 2 Oscars für The Treasure of Sierra Madre. Wollte 1955 Film über Le Diable et le bon Dieu drehen, der jedoch nicht realisiert wurde. Sartre verfasste für ihn ein Drehbuch zu dessen Film über Freud, das Huston allerdings wegen zu grosser Länge nicht benutzte (Film erschien 1961 mit Montgomery Clift). Im Vorfeld hierzu besuchte Sartre Huston 1959 auf Irland.
Jean Hyppolite: 1907-68, Philosoph und Hegel-Spezialist. 1949- Sorbonne. 1954-63 Dir. ENS, 1963-68 am Collège de France, bester französischer Hegel-Kenner. Trat ein Jahr nach Sartre und Aron in ENS ein: Abschluss als Dritter nach Sartre und Beauvoir. Besuchte Kojèves Hegel-Vorlesungen. Übersetzte Hegels Phänomenologie des Geistes (1939-41) und kommentierte sie. Schrieb auch über Marx. Beeinflusste Lacan. Freund von Foucault. War Sartres Basis für dessen Hegel-Kenntnisse, die er sich nach dem 2. WK erwarb. 1961 Diskussion mit Sartre, Garaudy u.a. über Dialektik in der Mutualité.
C. L. R. (Cyril Lionel Robert) James: 1901-1989. Pseudonym : J.R. Johnson. Schriftsteller, sozst. Theoretiker in den USA und UK schwarzer Trinidader Herkunft. Schloss sich den Trotzkisten an. Unterstützte Shachtman 1940. Sowjetunion als Staatskapitalismus. Trennte sich 1949 von Shachtman und konzentrierte sich auf die schwarze Befreiungsbewegung (u.a. auch Pan-Afrikanismus). Beeinflusste schwarze karibische Sozialisten.
Vladimir Jankélévitch: 1903-85, franz. Philosoph mit russ.-jüdischen Eltern, studierte an ENS (promotion 1922). 1927-33 in Prag. 1939 zur Armee eingezogen, 1940 verletzt, 1940 aufgrund der Vichy-Rassengesetze seines Amtes enthoben; Mitglied der Résistance; Krieg und Résistance machten aus einem Germanophilen (Nietzsche, Scheler, Simmel) einen Germanophoben, der deutsche Philosophie wie deutsche Musik aus seinem Leben ausschloss und dem deutschen Volk nie verzeihen wollte. Bemüht um das Andenken der Nazi-Opfer. Nach der Befreiung Professor: lehrte 1951-78 an der Sorbonne Moralphilosophie: für eine materiale Ethik auf existenzialer Basis; im Zentrum stand moralisches Handeln in konkreten Situation der menschlichen Existenz. Engagierte sich gegen den Gaullismus. Schloss sich im Mai 68 den Studenten am. Wie Sartre, Schwartz, Beauvoir und Domenach Unterzeichner vieler politischen Manifeste. Griff in einem posthumen Interview in der Libération (Juni 85) Sartre wegen dessen mangelndem Engagement während des Zweiten Weltkriegs an, v.a. aber Merleau-Ponty, der sich in seiner Pariser Wohnung eingenistet habe und dem er Karrierismus vorwarf; beklagte die Ungerechtigkeit, dass die Opfer des Zweiten Weltkriegs, u.a. der Wissenschaftsphilosoph Cavaillès, vergessen und statt ihrer Mitläufer wie Sartre oder Merleau-Ponty gefeiert wurden.
Karl Jaspers: 1883-1969. Dt.-(schweiz.) existentialist. Psychiater, Philosoph. Prof. in Heidelberg (1916-37; zwangsemeritiert, da mit einer Jüdin verheiratet; wieder 1945-48): hier Bekanntschaft mit Heidegger; dann 1948-61 in Basel. Jaspers Existentialismus kam eher von der Populär- als der wissenschaftl. Philosophie her. Sartre korrigierte zusammen mit Nizan die Übersetzung von Jaspers Habilitationsschrift und erstem grossen Werk Allgemeine Psychopathologie ins Französische (Übersetzung selbst durch A. Kastler/J. Medousse). Ein Auszug aus Porträt des Antisemiten erschien 1946 in Jaspers und Sternbergers Zs. Die Wandlung. Trotz vieler Parallelen im Bereich der allgemeinen Weltanschauung war die gegenseitige Achtung des philosophierenden Psychopathologen Jaspers und des psychologischen Philosophen Sartre gering.
Alain Jaubert: 1940-. Journalist (Nouvel Observateur, Libération), Dokumentarfilmer. Begleitet am 29.5.71 einen verletzten Militanten im Polizeiauto ins Spital: kommt schwer verletzt an: Proteste der Intellektuellen (u.a. Sartres: Noch ist der Staat nicht faschistisch, aber die Polizei schon) gegen die Misshandlung: Untersuchungskomitee mit Claude Mauriac, Deleuze, Foucault, Langlois etc.
Jean Jaurès: 1859-1914. Sozst. Politiker. Zuerst gemässigter Republikaner, dann Reformsozialist (im Gegensatz zum Guesde, einem orth. Marxisten): Mitbegründer des Parti socialiste français PSF (1902 ; unabh. Sozialisten, u.a. auch Allemane), 1904 L’Humanité (mit Briand, Viviani etc.), 1905 SFIO (aus PSF und dem radikal-dogmat., Parti socialiste de France von Guesde). Pazifist: deswegen 1914 von Nationalsiten ermordet. Sartre las 1937/38 Jaurès Histoire socialiste de la Révolution française.
Francis Jeanson: 1922-2009. Studierte Philosophie. Veröffentlichte mehrfach über Sartre (u.a. 1946 Le problème moral et la pensée de Sartre, 1955 Sartre par lui-même) und in TM (ab 1948-56, 1952-56 als verantw. Leiter; wieder 1962-67 Mitglied Direktionskomitee). Deren verantwortlicher Leiter 1952-56. Lernte Sartre 1946 im Zus.hang mit Le problème moral et la pensée de Sartre kennen. Entwickelte sich zw. 1946 und 50 vom Existentialisten zum Marxisten. 1956 Abkühlung zu Sartre, da Jeanson den Einmarsch in Budapest nicht verurteilte. Engagierte sich als einer der ersten 1955 gegen den Algerienkrieg. Gründete im Herbst 57 das Réseau Jeanson (aktive Hilfe für FLN) mit Vérités pour ... als Publikation: 1960 zu 10 J. Gefängnis verurteilt, 1966 amnestiert. 1967 auf Anfrage Malraux’ Leiter des Maison de la culture in Chalon-sur-Saône. Engagierte sich ab 1974 für einen humaneren Umgang zwischen Psychiatern und Patienten, in den 90ern für ein multiethnisches Bosnien.
Jevgenij Aleksandrovitch Jevtushenko: 1933-2017. Russischer Dichter. Schwankte zwischen politischer Anpassung und Ablehnung. Gegen die Berliner Mauer, den Prozess gegen Daniel und Sinjawski und die Besetzung der Tschechoslowakei. Unterstützte später Jeltsin, lehnte jedoch den Tschetschenienkrieg ab.
Frédéric Joliot-Curie: 1900-58. Atomphysiker, Friedensaktivist. Verheiratet mit Irène Curie der Tochter von Pierre und Mme Marie Curie. 1935 Nobelpreis für Chemie zus. mit seiner Frau. 1937 Prof. am Collège de France. Seit 1941 in der Résistance als Leiter des Front National, des polit. Arms der komm. Francs-Tireurs et partisans FTPF. 1942 Mitgl. PCF (1956-58 ZK-Mitgl.). 1944-46 Dir. CNRS. An der Entwicklung der Atomenergie beteiligt: 1945 gründete er im Auftrag de Gaulles das Commissariat à l’énergie atomique: 1948 1. AKW in Frankreich. Beteiligt sich 1949 an der Gründung des Weltfriedensrats, dessen erster Präsident er bis zu seinem Tod ist. Lancierte 1950 den Stockholm-Appell gegen Atomwaffen, weshalb er als Lt. des Commissariat à l’énergie atomique abgesetzt wurde.
Simone Jollivet: 1902-67. Sartres Cousine. Toulouse genannt, in den Memoiren Camille, am Theater Simone Sans; eigentlich Camille-Simone Sans. Traf Sartre 1924 auf der Beerdigung der Cousine Annie Lanne kennen. Beeindruckte Sartre sehr, da sie der freien Liebe frönte, auch im Edelbordell arbeitete, aber ebenso durch ihre Bildung und Schlagfertigkeit. Sartre und Jollivet waren 1925-27 liiert. Sartre schrieb für sie Une Défaite. Beauvoir war schockiert, dass eine Frau wie Simone sich so prostituieren konnte. Bis zum 2. Weltkrieg oft Treffen sehr oft zu dritt. War mit Charles Dullin verheiratet (ab 1928 dessen Geliebte). Konnte die Chancen, die Dullin ihr mit eigenen Inszenierungen gab, nicht nützen: keine Begabung als Schriftstellerin. Ihre Neigung zum Nazismus und Antisemitismus während des Zweiten Weltkriegs führte zu einer Entfremdung. War dem Alkohol ergeben: nur die Hilfe Sartres liess sie finanziell überleben. Verstarb vollkommen verwahrlost.
Marcel Jouhandeau: 1888-1979. Schriftsteller. 1912-49 Latein- und Französischlehrer am Collège libre in Passy. Vorwiegend homosexuell. In tiefkath. Umgebung aufgewachsen. Bewunderer von Barrès und immer schwankend zwischen Antifaschismus und Antisemitismus. Schrieb während der Besatzung für die NRF und nahm 1941 zusammen mit Bonnard, Brasillach, Drieu und Fernandez an einem Schriftstellerkongress in Weimar teil (aus Liebe zu G. Heller?). Befreundet auch mit Jünger. 1945 auf der Schwarzen Liste der kollaborierenden Schriftsteller. Mit Paulhan befreundet, der ihn gegen die Kritiker beschützte. Der Prozess gegen ihn nach der Befreiung verlief im Sande. Sartre zählte ihn neben Paulhan und Gide zu den drei älteren Personen, zu denen er Beziehungen hatte.
Louis Jouvet: 1887-1951. Sehr bekannter Schauspieler, Regisseur, Theaterdirektor. Befreundet mit Dullin, Giraudoux. Zusammenarbeit mit Dullin, Coupeau. Bildet mit Dullin, Baty und Pitoëff 1927 das Cartel des quartre. Inszeniert 1951 im Auftrag Berriaus Le Diable et le bon Dieu.
Marcel Jullian: 1922-2004. Drehbuchautor, Szenarist, Produzent, Verleger (1978 de Gaulles Memoiren). Lt. Antenne 2 1975-77 (Rücktritt polit. erzwungen): mit Sartre 1974/75 Projekt einer Geschichte des XX. Jhs. anhand von Sartres Leben: auf polit. Druck annulliert.
René Julliard: 1900 (Genève)-62. Verleger. Vichyist, doch Veröffentlichung von Werken von Éluard und Aragon: dies ersparte ihm 1945 die Säuberung. Die 1942 gegründeten Editions de Monaco werden 1945 zur Editions Julliard. Übernahm 1948 TM von Gallimard.
Serge July: 1942-. 1963 Vizepräsident UEC. 1964 als Vertreter der Italiens aus PCF ausgeschlossen. Schliesst sich dem M22M von Geismar an, das 1968 mit der verbotenen UJC (ML) zur Gauche Prolétarienne fusioniert. Gibt 1969 mit Geismar das Buch Vers la guerre civile heraus, das den Bürgerkrieg in Frankreich befürwortet. 1969-72 einer der Führer der GP (Übername: Marc; 1970 verantw. für Presse und Dem. Front: im Sommer 70 verantw. für den Aufbau einer neuen Zt. neben La Cause du Peuple: führt zu J’accuse). Mitbeteiligt am Volkstribunal in Lens 1970. Von der Ltg. des GP zwecks Umerziehung „aufs Land“ verschickt: Jan.-Dez. 72 in Douai: Treibende Kraft hinter der Affäre Bruay-en-Artois (falsche Beschuldigung eines Notars wg. Sexualmord; gegen Sartre, Glucksmann, Le Dantec). Feb. 73 Mitbegründer von Libération (mit Sartre, Gavi und Claude Vernier). Zuerst ab 1973 Chefredaktor, dann als Sartres Nachfolger 1974-2006 deren Herausgeber. Stand in den 80er Jahre politisch Mitterrand sehr nahe. Ab den 80er Jahren auch in weiteren Medien sehr aktiv (Europe 1, L’Express, France 3 etc.). Muss 2005 Rothschild als Financier für Libération holen, um sie vor Bankrott zu bewahren.
Pierre Kaan: 1903-45. Absolvent der ENS, Phil.lehrer; Sartre nahm mit ihm im Sommer 41 auf Anraten von Cavaillès Kontakt wg. Résistance auf: Kaan lehnte Beziehung zu Socialisme et liberté ab; 1943 Sekretär der Comité national de la Résistance, Mitarbeiter von Jean Moulin. Ende 43 verhaftet und gefoltert. Verstarb kurz nach seiner Befreiung aus dem KZ Buchenwald 1945.
Franz Kafka: 1883-1924. Deutsch-tschechischer Schriftsteller. Beschrieb in seinen Werken auf geradezu vorbildliche Art und Weise die Entfremdung des Menschen durch die Institutionen, insbesondere die Bürokratie, und die daraus entstehenden Gefühle von Ohnmacht, Angst und Verzweiflung. Vor allem Der Prozess, den Sartre und Beauvoir 1934 lasen, und Das Schloss (1940) begeisterten beide. Sartre hielt 1946 einen Vortrag über Kafka vor der französischen Liga für ein freies Palästina. Sein Werk wurde erst nach dem 2. Weltkrieg populär. Galt in der Tschechoslowakei bis 1964 als dekadent, dasselbe in der Sowjetunion: Sartre verteidigte ihn (und Joyce, Proust) in Moskau (1962), Leningrad (1963). Sartres Vortrag zu Kafka 1962 wurde in der DDR in der Literaturzeitschrift Sinn und Form (Zs. der Deutschen Akademie der Künste) veröffentlicht, was zur Absetzung von dessen Chefredakteur Peter Huchel führe. Im Mai 1963 fand in Liblice eine von Goldstücker organisierte Kafka-Tagung statt, die Walter Ulbricht später als den Anfang des Prager Frühlings bezeichnete. Im Nov. 63 Diskussion mit Sartre in Prag über Dekadenz und Kafka.
Jean Kanapa: 1921-78. Theoretiker des PCF. Orthodoxer Stalinist. Sohn eines reichen Bankers osteurop.-jüd. Herkunft. Schüler (1937) und Freund von Sartre und Beauvoir: ging im Winter 1939/40 mit Beauvoir skifahren, 1941 Mitglied von Socialisme et liberté, Sartre unterstützte ihn 1943 finanziell bei Sanatoriumsaufenthalt (Tuberkulose). Nicht in Résistance. Wird Mitglied des PCF nach 2. WK. In TM Jan. 46 noch kurzer Beitrag über Kunst, dann noch 1946 heftiger Kritiker Sartres: 1946 Comme si la lutte entière (1. Roman): Sartre (alias Labzac) als Wichtigtuer, Feigling und Provokateur. 1947 L’Existentialisme n’est pas un humanisme (Sartre als Faschist), 1950 Le Traître et le prolétaire. Nach K.s Kritik an Audrys Besprechung von Mascolos Le Communisme antwortet ihm Sartre 1954 in beissendem Ton in Opération „Kanapa“. 1948-57 erster Leiter der Nouvelle Critique, die als kommunistisches Gegenstück zu TM und Esprit gegründet wurde. 1958-61 in Prag und Moskau. Nur kurzfristig bis 1961 Mitglied der Tendance italienne (dann Selbstkritik). Ab Mitte der 60er Jahre hoher Parteifunktionär (u.a. Verantwortung für Beziehungen zur KPdSU). Er wird zu einem Vertreter eines Socialisme à la française und führender französischer Vertreter des Eurokommunismus (verurteilte Niederschlagung des Prager Frühlings 1968). Wurde am Schluss zum engsten Berater von Generalsekretär Marchais (seit 1972): ab 1976 Politbüromitglied. Stirbt, bevor der PCF den Marxismus-Leninismus offiziell aus dem Programm streicht (1979), aber auch bevor wieder eine Wendung nach Moskau (1980) erfolgte.
Abram Kardiner: 1891-1981. US-Psychoanalytiker und Anthropologe. 1930 Mitbegründer der New York Psychoanalytic Society. Vertreter der Kulturanthropologie. Publizierte 1939 The Individual and His Society, das Sartre ausführlich in Questions de méthode rezipierte.
K. S. Karol: 1924 (Polen)-2014. Eigentlich Kewes. Russ. Herkunft. Linker Journalist (Osteuropa, ital. Linke). Kämpfte 1939 mit poln. Armee. Obwohl Kommunist, wird er in Gulag verschickt. Entflohen kämpft er mit Roter Armee gegen Nazis, flieht 1945 nach London, dann Frankreich. 1954-64 bei Express, dann Nouvel Observateur. Für alger. Unabh., Mao (La Chine de Mao, 1966; La deuxième révolution chinoise, 1973), Kuba (Les Guérilleros au pouvoir, 1970; aber Padilla musste ihn 1971 als CIA-Agent denunzieren), ital Linke (Il Manifesto, Lebensgefährte von Rossana Rossanda). In den 70er Jahren polit. Bruch mit Daniel und Nouvel Observateur über Totalitarismus. Interviews mit Sartre 1955, 1960.
Olga Kéchéliévitch (eigentlich: Kešeljević): Aus Montenegro. Schauspielerin, verheiratet mit Marc Barbézat. Befreundet mit Olga Kosakiewicz. Die „braune Olga“ genannt. Schülerin bei Dulllin. Durch sie kam der Kontakt von Barbezat mit Genet zustande, dessen Verleger Barbezat wurde (sie erhielt von Jacques François, einem Mitschüler bei Dullin ein Gedicht von Genet). Sollte ursprünglich eine der beiden Frauenrollen in Huis Clos spielen. Wegen ihrer Verhaftung durch die Deutschen kam es nicht dazu.
Iosif Efimovitch Khejfits: 1905-95. Sowjet. Kinoregisseur. Sartre traf ihn 1962.
Lotfi El-Kholi: 1929-99. Ägypter. Marxist, Journalist: 1963-65 bei Al-Ahram, 65-77 Lt. Zs. Al Talia. Unter Nasser mehrmals im Gefängnis. Unterstützte die Revolutionäre in Algerien, die Palästinenser. Gegen Camp David-Verträge zw. Israel und Ägypten. Veranlasste 1967 die Reise Sartres nach Ägypten.
Claude(-Cathérine) Kiejman: geb. Schwab. Journalistin (u.a. France Culture, L’Événement du jeudi, Le Monde, L’Express). Verheiratet 1956-?) mit dem Advokaten (u.a. für Gallimard) und kurzzeitigen Miniser Georges Kiejman. Biographien über u.a. Clara Malraux. Interview 1971 mit Sartre.
Pierre Klossowski: 1905-2001. Künstler, Schriftsteller. Sohn polnischer Eltern. Gefördert von Bataille, Giacometti und Masson. Erst 1967 erste Gemäldeausstellung. Seine Gemälde mit einer seltsamen Sexualität wurden u.a. von Blanchot, Deleuze und Foucault verteidigt.
Arthur Koestler: 1905-83 (Freitod). Ungare jüdischer Herkunft. Journalist, Schriftsteller von v.a. politischen und autobiographischen Büchern. Vorbild für Victor Scriassine aus Les Mandarins. Schrieb auf ungarisch, deutsch und englisch. Lebte zeitweise in einem Kibbuz in Palästina. Schloss sich 1931 den Kommunisten an (in Deutschland). Enttäuscht von seinem Besuch in der UdSSR 1932/3 verblieb er in der Partei wegen des Spanischen Bürgerkriegs. 1937 3 Monate in frankistischem Gefängnis. Brach 1938 mit den Kommunisten wegen der Moskauer Schauprozesse. Lebte 1933-40 und auch später gelegentlich in Frankreich (u.a. 48-55), dann überwiegend in England, aber auch Palästina/Israel (44/45, 48). Befreundet v.a. mit Camus. Engagierte sich im Kampf gegen den Totalitarismus, insbesondere kommunistischer Prägung. Einer der Führer des antikomm. Congrès pour la liberté de la culture 1950 in Berlin. Warnte vor der Dekadenz der westlichen Kultur. Kämpfte für die Abschaffung der Todesstrafe und Recht auf Freitod.
Sartre schätzte sein Buch Spanisches Testament (Testament espagnol). Er veröffentlichte auch Le zéro et l’infini (Darkness at Noon, 1941 geschrieben, 1945 in Frankreich veröffentlicht., dt. Sonnenfinsternis; über die Moskauer Prozesse; die Hauptfigur Rubashov ist allerdings eine Verzerrung Bukharins, der nicht der Ansicht war, dass das Ziel der Revolution auch sein eigenes Opfer verlangen könnte) und Le Yogi et le commissaire (The Yogi and the Commissar; 1944; Sammlung von Essays; stellt die UdSSR als eine staatskapitalistische totalitäre Autokratie dar; der Yogi glaubt an die Veränderung von innen, der Revolutionär von aussen). Gegen letzteres schrieb Merleau seinen Artikel Le Yogi et le prolétaire 1946. Sartre und Beauvoir lernten ihn 1946 kennen. Seine Beziehungen zu Beauvoir waren sehr angespannt, nachdem es ihm 1946 gelungen war, sie zu verführen. Koestler konnte, vor allem wenn er getrunken hatte, ausserordentlich grob sein und hatte auch eine Neigung zu Handgreiflichkeiten, wie Sartre und Camus selbst erfahren mussten. Insbesondere wenn es um die Kommunisten ging, kannte Koestler fast keine Grenzen mehr, so sehr hasste er sie. Dies führte auch 1947/8 zum Bruch zwischen Sartre und Koestler, für den letzterer Beauvoir verantwortlich machte. Koestler wollte 1949 die Beziehungen zu Sartre wieder aufnehmen, scheiterte jedoch an dessen Ablehnung. 1951 veröffentlichte Koestler The Age of Longing mit Sartre als Philosophieprofessor Pontieux, der ein Buch über Negation und Position veröffentlichte.
Alexandre Kojève: 1902-68. eigentlich Kozhevnikov. Philosoph und Handelspolitiker russischer Herkunft (Moskau). Hegelianischer Marxist. Studierte bei Jaspers, aber auch Husserl und Heidegger. Ab 1928 in Frankreich. Übernahm 1933 von Koyré den Unterricht über Hegel. Hielt zwischen 1933 und 39 an der École des Hautes Études Seminare über Hegels Phänomenologie des Geistes, an dem Personen wie Aron, Bataille, Koyré, Lacan, Parain, Queneau, Tran Duc Thao, E. Weil oder Merleau-Ponty teilnahmen (Hegel-Interpretation nahe bei den Frühschriften von Marx). 1944 in Résistance. Erst durch seine Seminare (1947 herausgegeben von Queneau als Introduction à la lecture de Hegel) wurde Hegel in Frankreich richtig bekannt. Im Zentrum stand bei ihm vor allem das Herr-Knecht-Verhältnis, das auch bei Sartre und Beauvoir einen bleibenden Einfluss hinterliess. Nach dem 2. WK im Wirtschafts- und Finanzministerium. Führender Architekt der EWG (dem Vorläufer der EU) und des GATT (Kennedy-Runde 1963). In Deutschland machte ihn Fetscher in der Sammlung Marxismusstudien (1954) bekannt.
Aleksandr Evdokimovitch Kornejtchuk: 1905-72. Sowjet.-ukr. Schriftsteller. Stalinist. Sartre traf ihn 1962.
David Korner: 1914-76. Pseudonym Barta. Trotzkist. Führer rumän.-jüd. Herkunft. Seit 1936 in Frankreich. Gründete während 2. WK orthodox-trotzkist. Groupe Communiste, die später die Union communiste wurde, die sich 1949 auflöste. 1947 sehr erfolgreiche Streiks bei Renault. Die 1956 neugegründete Voix Ouvrière (seit 1968 Lutte Ouvrière) sieht sich in der Tradition von Korner.
Olga Kosakiewicz: 1915-1983. Verh. Bost. Auch Kos., la petite Russe, als Schauspielerin Olga Dominique genannt. Vorbild für Xavière, die Dritte, aus L’Invitée und Nadine aus Les Mandarins. Schwester von Wanda K. Tochter eines weissrussischen Emigranten aus Kiew (Victor K.) und einer Französin (Marthe K.). Ihre Eltern waren sehr bürgerlich (standen der Action Française nahe). Trotzdem sagte ihr Vater bei der Einvernahme zur Affäre Beauvoir 1942 nichts Belastendes. Beauvoir lernte sie 1932 durch Colette Audry kennen. 1934/35 hatte Beauvoir, 1935-37 Sartre eine Affäre mit ihr. Ihr unbändiger, rebellischer, von emotionalem Hoch und Tief geprägter Charakter, ihre Authentizität und Spontaneität bezauberten Sartre und Beauvoir. Ab 1937 Beziehung mit Bost, 1946 Heirat mit ihm. Höchstwahrscheinlich keine intime Beziehung mit Sartre. Dies trieb ihn fast in den Wahnsinn (sie spielte dazu noch mit andern Männern neben Bost: bspw. Zuorro): Sartre geriet darob in schwere psychische Krise (zudem: erste Alterserscheinungen, literarische Erfolglosigkeit). 1937 Eintritt in Dullins Schauspielschule des Atélier. Sartre widmete ihr 1939 die Sammlung Le Mur. 1940 Affäre mit Papatakis (inkl. Abort). Sartre schrieb für sie Les Mouches. Spielte auch Rolle in Bouches inutiles von Beauvoir. Schwere Tuberkulose Olga 1946-49: Absenz von der Bühne, zu frühe und verfehlte Rentrée: Olga gab Schauspielerei auf, sie war physisch wie psychisch sehr angeschlagen. War sehr eifersüchtig auf das weiterhin locker bestehende Verhältnis zwischen Bost und Beauvoir, das in den Jahren vor ihrem Tod die Beziehungen zwischen ihr und Beauvoir verschlimmerte. War gegen Beauvoirs Veröffentlichung von Sartres Briefen an sie. Finanziell abhängig von Sartre.
Wanda Kosakiewicz: 1917-1989. Tania oder la toute petite Zazoulitch in seinen Briefen an Beauvoir. Als Schauspielerin Marie Olivier. Vorbild für lvitch in Les Chemins de la liberté, teilweise Xavière in L’Invitée. Schwester von Olga K.. Schülerin von Dullin. Sartre sah sie erstmals 1936. Seit 1939 hatte Sartre ein Verhältnis mit ihr, das ihn ziemlich aufzehrte (cf. Briefe während der Drôle de guerre; sie wohnte im Hôtel Chaplain, wo Sartre häufig bei ihr übernachtete). Sartre schlug ihr 1940 vor, zu heiraten. Sartre schrieb mehrere Stücke für sie. Huis clos war ursprünglich für sie, Camus und Olga Barbezat geschrieben. 1944 Affäre mit Camus. Spielte in Uraufführungen von Morts sans sépulture (Lucie, 1946), Les Mains sales (Jessica, 1948), Le Diable et le bon Dieu (Catherine, 1951), Kean (Anna Damby, 1954), Nekrassov (Véronique, 1955), Les Séquestrés d’Altona (Leni, 1959). Widmete ihr Les Chemins de la liberté. Wie ihre Schwester war sie eine bekannte Figur im St. Germain des Prés nach dem 2. Weltkrieg, doch als Schauspielerin erfolglos. Neue Bekanntschaften Sartres, v.a. jene von Evelyne Lanzmann und die Adoption von Arlette, machten ihr sehr zu schaffen. Ihre Drogensucht machte sie ab den 60er Jahren noch erratischer und gefährlicher. Hass auf Beauvoir. Finanziell abhängig von Sartre. Kümmerte sich auch in den Jahren vor Sartres Tod um ihn. Wohnte an der rue du Dragon. Total vereinsamt nach dem Tode Sartres ist sie in Laigle neben ihrer Schwester Olga beerdigt. Nach ihrem Tod nahm Le Bon Sartres Briefe an Wanda an sich.
Bernard Kouchner: 1939-. Jüdischer Herkunft. Arzt. 1968 in Biafra. Arbeitete 1970 u.a. mit M.-A. Burnier an der Zs. Actuel. Gründete 1971 mit M. Récamier Médecins sans frontières und 1979 Médecins du Monde. Sozialist. Trat für Boat People ein. 1988-92, 97-99 Staatssekretär, 1992-93, 2001-02 Gesundheitsminister, mehrfach Staatssekretär. 1999-2001 Hoher Repräsentant der UNO im Kosovo.
Alexandre Koyré: 1882-1964. Philosoph russisch-jüdischer Herkunft (Taganrog). Prominenter Wissenschaftsgeschichtler (Vorläufer von T. S. Kuhn). Studierte bei Husserl und Hilbert. 1911-14, wieder ab 1919 in Paris. Studiendirektor an der École pratique des hautes études (Geschichte des relig. Denkens im modernen Europa). Befasste sich mit dt. Mystikern, Astronomen. Initiierte die Wiederaufnahme des Studiums von Hegel in Frankreich (cf. Kojève). Herausgeber der Zs. Recherches Philosophiques, in der Sartre 1936 La transcendance de l’égo veröffentlicht hatte (für 1939 war ein weiterer Beitrag von Sartre beabsichtigt, der dann jedoch nie geschrieben wurde). Lehrte in den 30er Jahren meist in Kairo, ab 1941 auch in den USA. 1951 Aufnahme ins Collège de France gescheitert. Traf sich im Jun. 39 mit Sartre, dem er vorwarf, in seinem Versuch einer Philosophie des Augenblicks die Dauer nicht zu begriffen zu haben.
Viktor Andreevitch Kravtchenko: 1905-1966. Studierte und befreundet mit Brezhnev. Mitglied der sowjetischen Botschaft in Washington. Sprang 1943 ab und schrieb I chose Freedom (1946; als J’ai choisi la liberté 1947). Bestätigte Koestlers Aussagen über den Gulag. Gewann 1949 Verleumdungsprozess gegen Les Lettres Françaises, die sein Buch ein Fabrikat des CIA nannten: der Prozess intensivierte Gegensatz zwischen Kommunisten und Antikommunisten.
Marc Kravetz: 1942-. Journalist. In den 60ern Gen.sekr. UNEF. Veröffentlichte 1968 L’Insurrection étudiante 2-13 Mai 1968. Dann Journalist: 1975-90 v.a. Mittlerer Osten, Iran (u.a. für Libération). Nachher Journalist für France Culture. 1969 Gespräche mit Sartre über Öffnung der TM für Gauchisten.
Julia Kristeva: 1941 (in Bulgarien)-. Philosophin, Psychoanalytikerin (nach Studium von Lacan 1979), Schriftstellerin. Seit 1965 in Frankreich. Nahm seit 1965 an Tel Quel teil. 1967 Heirat mit Sollers. 1973 Prof. Univ. Paris VII. Vertreterin des (Post-)Strukturalismus: beschäftigt mit Gender Studies: für mehrfache sexuelle Identitäten; komplexes Verhältnis zum Feminismus. Begründerin des Prix Simone de Beauvoir pour la liberté des femmes.(2008).
Alain Krivine: 1941-. Trotzkist. Politiker. Russ.-jüd. Abstammung. Zuerst beim UEC, 1965 aus UEC und PCF ausgeschlossen: Mitbegründer 1966 der trotzkist. Jeunesse communiste révolutionnaire, 1969 der Ligue Communiste, 1973 Front Communiste Révolutionnaire, 1974 der Ligue Communiste Révolutionnaire. Ab 1969 Journalist bei Rouge. 1967 mit Sartre im Vietnamkomitee. Einer der Führer im Mai '68. 3mal Präsidentschaftskandidat (1969 von Sartre unterstützt, nicht jedoch 1974).
Milan Kundera: 1929-. Tschechischer Schriftsteller (seit 1993 in franz. Sprache). 1948, wieder ab 1956 Mitglied der KP (Ausschlüsse 1950, 1970). 1975 Emigration nach Frankreich (1978 Dozent an der EHESS, 1981 franz. Bürger). Im Nov. 63 Teilnehmer an Diskussion über Kafka und Dekadenz mit Sartre.
Eduard Kuznetsov: 1939-. Sowjet. Dissidenter, Schriftsteller, Journalist. Jude. 1961-68 im Gefängnis. Versuchte 1970 mit 15 andern ein Flugzeug zu entführen (obwohl fehlgeschlagen öffnete er trotzdem Tor für Emigration von Juden nach Israel): zuerst zum Tode verurteilt, 1979 gegen sowjet. Spione in die USA ausgetauscht. Dann Abt.lt. bei Radio Liberty, Chefred. einer russ.sprachigen Zt. in Israel. Sartre setzte sich 1976 für dessen Befreiung ein.
Jacques Lacan: 1901-81. Psychoanalytiker. Sein bedeutendster Beitrag war die Theorie des Spiegelstadiums (1936/49); grenzt die Sexualität weitgehend aus; sehr konservative Ansichten über Rolle von Mann und Frau. Besuchte 1933 das Seminar von Kojève. 1944 Teilnahme am von Camus inszenierten Drama Le Désir attrapé par la queue. 1953 Bruch mit der Société psychanalytique de Paris, deren Präsident er war und die der orthodoxen International Psychoanalytical Association unterstand, die mehr praxis-orientiert war und lange Sitzungen vertrat. Gründete die Société française de psychanalyse (mit Lagache). Weigerte sich 1963, auf die Ausbildung von Analytikern zu verzichten, um der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung beitreten zu können, und gründet die École freudienne de Paris (1964-80). Bekannt für seine Seminare (1951-80, 64-69 an der ENS, 68/69 an der Rechtsfakultät des Panthéon, dann an Paris VIII-Vincennes). Analysierte Bienenfeld Ende der 40er Jahre: beschuldigte Sartre und Beauvoir des Bruchs des Inzesttabus mit Bienenfeld (als deren Quasi-Eltern) und erklärte sie verantwortlich für deren psychische Probleme. Soll auch Sartre ohne grosse Ergebnisse analysiert haben (nach J. Gerassi).
Serge Lafaurie: 1928-2013; linker Journalist: 1953-64 bei Express, seitdem bei Nouvel Observateur. Neffe von J.-L. Bost. Befreundet mit Daniel, Gorz, K.S. Karol.
Daniel Lagache: 1903-72. Absolvierte Khâgne am Lycée Condorcet. Studierte mit Sartre zusammen an der ENS im gleichen Jahrgang: 3. in der Agrégation 1928. Homosexuell? Kein grosser Freund von Sartre. Lagache war neben Nacht und Lacan einer der führenden Psychoanalytiker Frankreichs der Nachkriegszeit. Im Gegensatz zu den beiden anderen war er, ein ausgebildeter Psychologe, von akademischer Rigorosität. In den Kämpfen und Wirren um die Société Psychanalytique de Paris gründete er zuerst zusammen mit Lacan 1953 die Société Française de Psychanalyse, um sich von der Übermacht eines Sacha Nacht (1901-77) abzusetzen. 1964 trennte er sich jedoch seinerseits von Lacan, um die Association Psychanalytique de France zu gründen, da er den Ausgleich mit der International Psychoanalytical Association suchte, von der Lacan und er sich 1953 trennten. Nicht die Sexualität, sondern der Kampf um Macht steht für ihn im Zentrum; das Ich als Instanz der Wahl und Ablehnung. Verbund von Psychoanalyse und Sozialpsychologie. Kriminogenese. Unter seiner Ltg. verfassten Laplanche/Pontalis Vocabulaire de la psychanalyse (1967).
Ronald D. Laing: 1927-89. führender Antipsychiater. Stark von Sartre beeinflusst. Sartre verfasste Vorwort zu seinem mit Cooper verfassten Buch Reason and Violence: A Decade of Sartre's Philosophy (1960; v.a. über Saint Genet).
Bernard Lallement: 1948-2007. Journalist, Publizist. Zuerst BWL-Prof, dann 1972 Mitbegründer von Libération (mit Sartre und July; bis 1974; zuständig für Finanzen). Unterstützte Mitterrand 1981/88, aktiv in der Strömung Utopia (grün-alternativ; Einfluss Gorz, H. Arendt). Lt. der Verlags François Maspero.
Jacqueline Lamba: 1910-93. Surrealist. Malerin. 1934-43 mit Breton verheiratet (ab 1941 in den USA), dann bis 1955 mit David Hare. Hernach wieder in Frankreich. Bekannt mit Vanetti: vermittelt Bekanntschaft von Sartre mit Hare.
Bérnard Lamblin: -1978. Verheiratet mit Bianca Bienenfeld. In den Briefen Ramblin genannt. Schüler Sartres, befreundet mit R. Lévy, Kanapa, Besse. Dozent für Ästhetik in der Malerei.
Kurt Landau: 1903-37, öster.-deutscher Linksradikaler, zuerst Trotzkist: Privatsekretär von Trotzkij. . 1930 Mitbegründer der trotzkistischen Linken Opposition der KPD, von der er sich 1931 wieder trennte (für Einheitsfront mit Stalinisten). 1933-36 in Paris (bei den Eltern von Simone Weil). 1936-37 unterstützte er den POUM in Barcelona. 1937 von Stalins Geheimdienst ermordet.
Katia Landau: Ehefrau von Kurt Landau. War um (um oder vor) 1939 Sartres Deutschlehrerin.
Monique Lange. 1926-1996. Jüdischer Abstammung. Verheiratet mit Juan Goytisolo. Befreundet mit Genet (dessen Mädchen für alles 1947-62), Vergès, Duras, Florence Malraux, Giacometti. Unterschrieb das Manifest der 121. 1949-63 Mitarbeiterin bei Gallimard (William Faulkner, Genet, Violette Leduc), veröffentlichte sie ab den 60er Jahren selbst Bücher.
Paul Langevin: 1872-1946. Physiker. Enge Beziehung zu den Curies. Trat schon 1898 für Dreyfus ein. Pro-komm. 1934 Gründungsmitglied des Comité de vigilance des intellectuels antifascistes. 1927- Vize, 1944-46 Präs. der Ligue des droits de l'homme. Setzte sich für Reformpädagogik und Rationalismus ein.
Jean Lanier: 1913-99. auch Lannier. Theater- und Filmschauspieler. Spielte in der Uraufführung von Les Mouches den Orest.
Annie Lannes: 1906-25: Tochter von Hélène Sartre und Frédéric Lannes. Liebe Cousine von Sartre. Zeitweilig ein Trio mit Sartre und Nizan. Starb an Tuberkulose. Auf deren Beerdigung lernte er Simone Jollivet kennen. Gab den Namen für Annie in La Nausée. Thema Tuberkulose in Sartres Werk.
Gustave Lanson: 1857-1934. Literaturwissenschaftler, der als erster die historische Methode auf den Literaturunterricht anwandte und die Autoren der Aufklärung (Voltaire, Diderot) ins Zentrum stellte. Engagierte sich für Dreyfus. 1904-13 Mitarbeiter der Humanité. 1904 Lehrstuhl an der Sorbonne. 1917 Mitbegründer der Ligue civique, einer linken Organisation, die sich vom SFIO abwandte, weil diese 1916 die Union sacrée verliesse. 1919 Direktor der ENS, der 1927 nach diversen Skandalen, an denen auch Sartre beteiligt war, zurücktreten musste.
Claude Lanzmann: 1925-2018. Journalist. Jüdischer Herkunft, worauf er sehr stolz war (im Gegensatz zu nicht-authentischen Juden wie Aron etc.). Studierte während Besatzung am Lycée in Clermont-Ferrand (Résistance-Mitglied), dann am Lycée Condorcet, Lycée Louis-le-Grand und Sorbonne: befreundet mit Cau, Deleuze. Studierte/gab Unterricht in Deutschland. Kam via Bost und Cau in die Familie. Beeinflusst durch Sartres Réflexions sur la question juive (kritisierte später jedoch auch, dass darin der Jude verschwinde). Mitarbeiter der TM seit Frühjahr 52 (z.T. unter Pseudonym David Gruber). Arbeite nebenbei noch lange für France Dimanche (als Rewriter, dann auch als Journalist, auch für Elle, z.T. unter Pseudonym Jean-Jacques Delacroix). Beauvoirs Liebhaber 1952-59 (als sechster). Er war der einzige Mann, mit dem Beauvoir zusammenlebte (1952-58). 1963 Heirat mit Judith Magre, 1974 mit Angelika Schrobsdorff (dt..-jüd. Schriftstellerin). Schon früh stand er den Kommunisten nahe und trug dazu bei, dass sich Sartre, aber auch Beauvoir den Kommunisten annäherten. 1958 Reise nach N-Korea/China. Unterschrieb das Manifest der 121: einer des zehn deswegen Angeklagten. Jedoch kein unkritischer Beobachter: schon in den 50er Jahren bspw. gegen die Trennung zwischen den europäischen und den nicht-europäischen Juden auf. Bis 1970 neben TM regelmässig Journalist, danach v.a. pro-zionist. Filme: 1973 Pourquoi Israël, 1985 Shoa (fast 10 Stunden Interviews mit Opfern und Tätern des Holocaust; Resultat 10-jähriger Arbeit), 1994 Tsahal. Seine starke Unterstützung von Israel im Gegensatz zu Sartres ausgleichender Haltung führen zur Entfremdung zw. Lanzmann und Sartre (aber Beauvoir unterstützt ihn weiter). Wird zus. mit Pouillon das Herz der TM. Unterstützte Beauvoir gegen Victor. Kümmerte sich bei Sartres Tod um die Beerdigung und um Beauvoir. Lanzmann kümmert sich auch anschliessend sehr um Beauvoir. Beauvoir widmete Lanzmann die Herausgabe von Sartres Briefen an Beauvoir. Nach Beauvoirs Tod wird Lanzmann zum Hg. der TM gewählt 1986. Gem. Lanzmann ist es Sartre zu verdanken, dass es in Frankreich keine gewaltigen Linksextremisten in in Italien oder Deutschland gab.
Évelyne Lanzmann: 1929-1966 (Selbstmord). Alias Évelyne Rey. Schauspielerin. Schwester von Claude Lanzmann. Zuerst fehgeschlagene Liebe mit Deleuze, dann jung verheiratet mit Serge Rezvani (iran.-russ. Jude, Maler, Schriftsteller), 1950 geschieden. Spielte 1953 Estelle aus Huis clos im Théâtre de l’Athénée, 1965 auch in der TV-Verfilmung. Beauvoir und Sartre lernten sie 1953 kennen: heftige Beziehung mit Sartre (-1956; Bruch weil Sartre wg. M. Vian die Beziehung geheim hielt). Unterschrieb Manifest der 121. Sartre schrieb für sie eine kleine Rolle (Johanna) in Les Séquestrés d’Altona, da sie sonst kaum Engagements erhielt. Die Adoption Arlettes traf sie tief.
Jacques Lanzmann: 1927-2006. Schriftsteller, Journalist, Chansonautor. Bruder von Claude und Évelyne Lanzmann. Beauvoir half ihm beim Durchbruch als Schriftsteller (Le Rat d’Amérique 1955).
Robert Lapoujade: 1921-93. Maler, Regisseur. Befreundet mit Sartre, Duras. 1949 Ausstellung 50 dessins (50 Porträts, u.a. Sartres). Unterschrieb das Manifest der 121 (Mitarbeit im Réseau Jeanson). Sartre schrieb 1961 ein Vorwort zu dessen Ausstellung Lapoujade - Peintures sur le thème des Emeutes, Tryptique sur 1a torture, Hiroshima (Paris, galerie Pierre Domec, 10 mars-15 avril). 1965 Ausstellung mit 25 Porträts (u.a. Sartres). 1985 Teilnahme an Ausstellung Autour de Sartre in London und Rom.
Maurice Larroutis: 1904-81: Sprachlehrer (Franz., alte Sprachen). Khâgne in Lyon. Zuerst Lehrer in annecy, dann ab 1938 in Avignon. An der ENS in Sartres Jahrgang: guter Freund von Sartre, obwohl religiös („tala“). 1927 mit Baillou, Herlan, Nizan und Sartre an der Falschinformation beteiligt, dass Charles Lindbergh die ENS besuche, wie Sartre Unterschrift gegen das Gesetz Paul-Boncour, dass alle Schüler der ENS an milit. Ausbildung teilnehmen müssen.
Hélène Lassithiotakis: griechische Studentin und Journalistin in Paris, die Sartre 1972 kennen lernte: Affäre bis 1977; 1974 als Philosophiestudentin in Paris, seit 1975 als Assistentin an der Universität in Athen. Besuch Sartres in Griechenland 1975-77.
Alain Laubreaux : 1899-1968. Rechtsextremer, kollaborationist. Journalist, Theaterkritiker, Schriftsteller. Wurde 1945 wegen seiner Artikel in Je suis partout zum Tode verurteilt; flüchtete nach Spanien. Heftigster Kritiker von Sartres Les Mouches (1943). Kritisierte auch Marais, Desnos.
Jacques Laurent: 1919-2000, Schriftsteller. Stand politisch immer rechts. 1936 Mitglied der Action française (damals am Lycée Condorcet sehr aktiv). 1942 Eintritt ins Vichys Informationsministerium. Um 1950 Mitglied der Hussards um Nimier. Schrieb 1951 das Anti-Sartre-Werk Paul et Jean-Paul. (Sartre habe mit Thesenromanen das Ideal der NRF verraten). Gründet 1953 Zs. La Parisienne gegen die TM. Während des Algerienkriegs Mitglied der OAS. 1971 Prix Goncourt. 1986 Mitglied der Académie Française.
Pierre Laval: 1883-1945. Ministerpräsident 1931-32, 35-36, 42-44. Sozialist. Brachte Parlament 1940 zur Übertragung der Macht an Pétain. Wegen Kritik an dessen autoritärem Regime 1940-41 in Arrest. Trat ein für Ausgleich zw. Deutschland und Frankreich. Zusammenarbeit mit Abetz, der ihn 1941 aus dem Arrest holte. Auf deutschen Druck Ministerpräsident. Okt. 45 als Kollaborateur hingerichtet.
Pierre Lazareff: 1907-72. Russ-jüd. Abstammung. Journalist. Arbeitete zuerst in Theateradministration. 1940-44 Leiter des französischen Dienstes des War Information Office in den USA. 1944 Rückkehr: Generaldirektor (1944-72) der bürgerlichen France Éditions mit France-Soir (Besitzer: R. Salmon/Ph. Viannay, ab 49 Libraire Hachette), Paris-Presse, France-Dimanche, Elle. 1954 Diskussion Sartres mit Ehepaar Lazareff um die UdSSR. 1955 Nekrassov gegen Lazareff gerichtet. Nachdem die Libération 1954 den Brief von Lazareff abgedruckt hatte, um seine Liberalität zu demonstrieren, druckte Lazareff seinerseits 1960 Sartres Cuba-Artikel ab (entgegen Sartres Erwartung).