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Sartres Zeitgenossen — Kurzbiographien U–Z 

Giuseppe Ungaretti: 1888-1970. Ital. Dichter (führender Vertreter des Hermetismus). Jude. Studierte an der Sorbonne, befreundet sich mit Apollinaire u.a.. Von franz. Futuristen beeinflusst, zu Beginn den Faschisten nahe. 1936 nach Brasilien. 1942 ehrenhafte Rückkehr nach Italien (Verlag Mondadori betreut ihn). 1962 Präsident COMES.

Roger Vailland: 1907-65. Schriftsteller, Reporter. Bewegte sich schon früh in linken Kreisen. Ab 1942 aktiv in Résistance. 1952-56 Mitgl. PCF. 1947 mit Sartre Diskussion am Radio. 1952 verurteilt Sartre das Verbot von V.’s Le Colonel Foster plaidera coupable (gegen Koreakrieg). 1958 Diskussion mit Sartre, Butor und Adamov über Theater und Politik.

Pierre Valde: 1907-77. Theater- und Filmregisseur. 1933-37 Assistent bei Dullin im Théâtre de l’atélier, gründete dann das Théâtre du temps. Lehrer von Trintignant. 1948 Regie (unter Aufsicht von Cocteau) der Uraufführung von Les Mains sales.

Georges Valois: 1878-1945. eigentl. Alfred-Georges Gressent. Journalist, linksfaschist. Politiker. Zunächst Anarchosyndikalist (mit Monatte; Schüler von Sorel), dann bei Action française, gründet 1925 Faisceau (1. offen faschist. Partei ausserhalb Italiens, verschwand 1928). Verband sozialrev. Ideen von Proudhon und Sorel mit jenen von Maurras und Antisemitismus (Vorläufer des ital. Faschismus). Im 2. WK in Résistance, starb in KZ Bergen-Belsen.

Dolorès Vanetti Ehrenreich: 1912 (Amiens)-2008. In Beauvoirs Memoiren M genannt. Französin, verheiratet mit einem Amerikaner. Ital.-äthiop. Abstammung. Vor ihrer Heirat mit dem reichen amerikan. Arzt Edward Ehrenreich Schauspielerin in Frankreich (-1938). Lebte seit 1940 in New York, befreundet mit Lévi-Strauss, Léger, Duchamp, Breton. Sartre traf sie 1945. Sie war die einzige Frau, die die Beziehung Sartre-Beauvoir echt bedrohte (cf. Beauvoirs Buch Tous les hommes sont mortels). Sartre widmete ihr die erste Ausgabe von TM. Besuchte sie nochmals 1946, ebenfalls 1946 Dolorès zu Besuch in Paris (erreichte Sartres Versöhnung mit Camus), während Beauvoir bei Algren war, deren Revanche für Sartres Untreue. 1949 Reise von Sartre mit Dolorès durch Lateinamerika. Scheidung von Ehrenreich (von Sartre bezahlt). Wollte nach Paris umziehen. Doch 1950 endgültiger Bruch. Die „Familie“ hatte sich immer auf die Seite von Beauvoir gestellt. Dolorès erwartete von Sartre, dass er die traditionelle männliche Rolle übernimmt, im Gegensatz zu Beauvoir, die immer alles für ihn organisierte.

Nicole Védrès: 1911-65. Cinéastin, Schriftstellerin. Kommunistin. Sartre schrieb 1950 eine Besprechung zu ihrem Dokumentarfilm Film La vie commence demain, in dem neben Sartre u.a. auch Lagache, Le Corbusier, Picasso und Gide auftreten (in Zusammenarbeit mit UNESCO).

Vercors: eigentl. Jean Bruller. 1902-91. Schriftsteller, Illustrator. Ungar.-franz. Abstammung. Bis 1938 Pazifist, Mitbegründer und Leiter (1942-48) des Résistance-Verlags Éditions de Minuit. Schrieb während der Kriegszeit hervorragende Werke über Kollaboration und Widerstand. Sagte 1949 gegen Kravtchenko aus. Stellte sich hinter den PCF in den Affären um Jugoslawien und Rajk. 1951 Distanzierung vom PCF, trotzdem 1952-56 Präsident des CNE: Rücktritt wegen Ungarn. Arbeite mit an L’Affaire Henri Martin (1953). Unterzeichnete Manifest der 121.

Jacques Vergès: 1925 (Thailand)-2013. Polit. profilierter Rechtsanwalt, Résistant (als Gaullist), Antikolonialist, Menschenrechtskämpfer. 1945-57 Mitgl. PCF. Macht in den50er Jahren Bekanntschaft mit Pol Pot und Khieu Sampan. Kämpft für FLN, u.a. Djamila Bouhired, die er später heiratet, Verteidiger im Prozess gegen Reseau Jeanson 1960. 1962/63 Kabinettschef des alger. Aussenministers. Trifft 63 Mao und wird zum Maoisten. 65-70 wieder in Algerien, 1970-78 verschwunden (Kambodscha??). Wird nach der Rückkehr Advokat vieler umstrittener Persönlichkeiten (des Gestapo-Offizier Barbie, des Terroristen Carlos, des Holocaust-Leugners Garaudy, von afrikan. Diktatoren), setzt sich für Serben in ex-Jugoslawien ein.

Jean-Claude Vernier: Journalist. Mitgl. Gauche Prolétarienne. Hatte in Bruay-en-Artois mit Huleu die Idee der Zt. Libération. 1973 einer der Mitbegründer der Agence de Presse Libération und der Zt. Libération: P. Victor zieht jedoch für die Ltg. July vor.

Pierre Verstraeten: 1933-2013. Philosoph (prof. an Univ. libre de Bruxelles): Sartre-Spezialist (anti-humanist. Interpretation von Sartre). Interviews mit Sartre 1965 (L’Écrivain et sa langue) und 1972 (Je ne suis plus réaliste). Viele Publikationen über Sartre und dessen Philosophie (u.a. 1972 Violence et éthique). 1966-92 Dir. Bibliothèque de la philosophie bei Gallimard (zu Beginn mit Sartre). Präsident der Groupe belge d'études sartriennes.

Boris Vian: 1920-59: Schriftsteller, Jazz-Trompeter (Be-bop), Chansonautor. Ausbildung als Ingenieur. Trat oft im Tabou (1947) in St. Germain-des-Prés auf. Idol der damaligen Jugend (Zazou-Bewegung), die sich gegen die Vichy-Eltern auflehnten und sich an amerikanischen Vorbildern orientierten. Schrieb viele Chansons. Sartre und Beauvoir lernten ihn und Michelle 1945 durch Queneau kennen. Der 1946 publizierter Roman J’irai cracher sur vos tombes wurde verboten. Publizierte 1946 in TM Chronique du menteur. Sartre unterstützte ihn 1946 umsonst für den Prix Pleïade (mit seinem Werk L’Écume des jours, in dem Sartre als Jean-Sol Partre und Autor von Vomir, der jede Woche fünf Artikel schreibt). Zu früh mit Michelle verheiratet, liess er sich 1951 von ihr scheiden. Übersetzte Algrens The Man with the Golden Arm. Pazifist. Chanson Le Déserteur wurde 1955 verboten. Wegen Scheidung von Michelle (1952 ausgesprochen) kritisch gegenüber Sartre (1951 ein Manifest für Science-fiction in den TM: gegen Sartre gerichtet): warf Sartre den Diebstahl seiner Frau vor, obwohl selbst nicht treu (Scheidung zuungunsten von Boris Vian).

Michelle Vian: 1920-2017, geb. Léglise. Z.T. literarisch-journalistisch tätig (Übersetzung von englischen Texten; Artikel über Kino). 1941-52 Frau von Boris Vian; von dessen Affären abgeschreckt zuerst Verhältnis mit dem Klarinettisten André Reweliotty (bis nach 1958; auch dessen Managerin; begleitete Sidney Bechet; 1929-1962: stirbt bei Autounfall mit M. Vian). Seit Mai 1949 Sartres Freundin, dann ab Dez. 49 Geliebte bis zu seinem Tode (mit Unterbrechung 1958-60; nach Selbstmordversuch allerdings schon 1959/60 wieder in „Familie“ aufgenommen). Half ihr bei der Scheidung. Stellte im Feb. 50 fest, dass sie von Sartre schwanger war: Abtreibung im Frühling 50 mit Reweliottys Hilfe: danach nochmals 2x schwanger und Abort (als sie 1960 von Sartre schwanger werden wollte, war sie steril). Sartre verschwieg vor ihre seine Liebschaften (erfuhr erst nach Sartres Tod von Évelyne Lanzmannn). Machte z.T. Übersetzungen aus dem Englischen für Sartre (u.a. beim Aufenthalt Algrens in Paris), tippte Sartres Manuskripte, begleitete ihn mehrfach auf Reisen, z.T. auch zusammen mit Beauvoir. Die Adoption Arlettes traf sie tief. Schloss sich Anfang der 70er Jahre den Maoisten an (ihr Sohn Patrick war sehr engagiert um den Mai 68) und spielte bei verschiedenen Protestaktionen eine aktive Rolle (u.a. Jan. 71: Hungerstreik in der Kapelle Saint Bernard/Bahnhof Montparnasse; auch Unterzeichnung des Manifests der 343, Verteilen der La Cause de Peuple). Neben Siegel und Arlette trug sie die Hauptlast der Pflege von Sartre. Trank in den 70er Jahren immer wieder mit Sartre und versorgte ihn mit Alkohol, obwohl Arlette und Beauvoir dies verboten hatten. Finanziell von Sartre abhängig. Sie wohnte an am blv. Montparnasse.

Pierre Vidal-Naquet: 1930-2006. Jude (Eltern starben in Auschwitz). Linker Historiker, insbesondere griechische Klassik. Arbeitet u.a. am CNRS (1962-64) und an EHESS (ab 1966, 1969 Studiendirektor). Engagierte sich politisch links (gegen Algerienkrieg: Unterzeichner des Manifestes der 121, Vietnamkrieg, griech. Obristendiktatur, Leugnung Holocaust, für irak. Kurden, Boat People, Solidarnosc). Gründete 1971 mit Foucault Groupe d'information sur les prisons.

Jean-Pierre Vigier: 1920-2004. Renommierter Physiker. Kommunist. Résistance-Kämpfer. Arbeitete für Joliot-Curie, Assistent von de Broglie. Mitglied PCF -1968, dann für Gauchisten. Engagierte sich mit Sartre gegen den Algerienkrieg: Neben Sartre und Schwartz 1962 Mitbegründer der Ligue d’action pour le rassmblement antifasciste. 1967 Teilnahme am Russell-Tribunal.

Giancarlo Vigorelli: 1913-2005. Italiener. Literaturkritiker. Generalsekretär von COMES (1958-68), Gründer der Zs. L’Europa litteraria.. Sartre kannte ihn seit 1946.

Jean Vilar: 1912-71. Schauspieler und Regisseur. 1932 Schüler von Dullin und erste Aufritte im Atelier 1934. Ab 1943 seine eigene Truppe mit eigenen Stücken. 1951-63 Leiter des Théâtre National Populaire im Trocadéro. Spielte den Heinrich 1951 in der Uraufführung von Le Diable et le bon Dieu. Brach 1968 wegen Mai 68 mit Malraux, mit dem er zuvor für die Reorganisation des Theaters zusammenarbeitete.

Marie Ville: in den Memoiren und Briefen als Marie Girard bezeichnet, auch Mondfrau genannt. Beauvoir nennt sie eine Trotzkistin. Sie war 1934 in Berlin zusammen mit ihrem Mann, Jean-André Ville, einem Philologielehrer. Sartre hatte mit ihr ein Verhältnis, was bei Beauvoir trotz aller Abmachungen grosse Eifersucht erregte. Sartre traf sich später mit ihr wieder ab 1937.

Michel Vitold: 1915-94, eigentlich Mikhail Sajanov, geboren in der Ukraine, Film- und Theaterschauspieler; 1945 Regisseur von Les Bouches inutiles von Beauvoir am Vieux-Colombier; damals auch ihr Liebhaber; 1946 Regie bei den Uraufführungen von Morts sans Sépulture (auch Rolle von Henri) und La Putaine Respectueuse; spielte mehrmals in Uraufführungen von Sartres Theaterstücken (Garcin in Huis clos, Henri in Morts sans sépulture, Georges Valera in Nekrassov), sollte zuerst auch den Heinrich in Le Diable et le bon Dieu spielen.

Elio Vittorini: 1908-66. Ital. Schriftsteller, Übersetzer (u.a. Faulkner), Journalist. 1945-48 PCI-Mitgl., ab 1960 für PSI: schon nach 2. WK für freiheitl. Marxismus. 1945-47 Lt. Politecnico, (ähnliches Profil wie TM; 1947 stellt PCI Finanzierung ein, da zu unabh.; veröffentlichte neben Sartre auch Camus, Faulkner, Hemingway, Pasternak, aber keine offiziellen sowjet. Schriftsteller). Bekannter Sartres seit 1945 (auch von Duras). 1960 gegen Algerienkrieg.

Andrej Andreevitch Voznesenskij: 1933-2010. Sowjet. Dichter, Songwriter. Befreundet mit Pasternak. Führender Schriftsteller in Tauwetterperiode (1959-64; mit Jevtushenko, Akhmadulina). Sartre traf ihn 1962.

Alphonse de Waelhens: 1911-81. Belg. Phänomenologe. Früher Existentialismus-Spezialist: Bücher: 1942 über Heidegger, 1947 über Existentialismus, 1951 über Merleau-Ponty, 1982 Lévinas.

Robert Wagner: Literaturprofessor. Schwager von Merleau-Ponty, befreundet mit Gibert. Studierte Philologie an der Sorbonne. Freund von Sartre und Nizan aus Studentenzeit (öfters Einladungen zum Essen bei Wagners Eltern): Gespräche über Literatur und Philosophie.

Jean Wahl: 1888-1974. Philosophieprofessor an der Sorbonne 1936-67, 41-45 an der New York New School for Social Research. Befreundet mit Marcel. Veröffentlichte zuerst über den Pragmatismus von James, dann Malheur de la conscience dans la Philosophie de Hegel (über das unglückliche Bewusstsein bei Hegel, 1929), in den 30er Jahre mehrere Artikel zu Heidegger und Kierkegaard, u.a. Vers le concret (1932, über James, Whitehead und Marcel mit Bezügen auf Scheler, Husserl und Heidegger) und die Études kierkegardiennes (1938), und als Jude verhaftet, konnte er aus dem Lager Drancy in die USA fliehen. Redaktor der Revue de métaphysique et de moral (1950-74). Einer der Begründer der Existenzphilosophie in Frankreich. Wahl war eines der Jury-Mitglieder bei der Agrégation 1929 von Sartre. Sartre hatte sowohl Le Malheur wie Vers le concret gelesen. Le Malheur war Sartres wichtigste Hegel-Quelle. La Transcendance de l’égo wurde in Wahls Zs. Recherches Philosophiques veröffentlicht. Wollte, dass Sartre mit L’Imaginaire promoviert. Wahl veröffentlichte mehrfach über Sartre (u.a. La liberté chez Sartre, 1946) und den Existentialismus (Esquisse pour une histoire de l’existentialisme, 1949).

Simone Weil: 1909-43. Philosophin und Schriftstellerin. Jüdin. Sozialistin: nahe zu Trotskij und Souvarine. Studierte an der ENS (promotion 1928) im selben Jahrgang wie Beauvoir, die für Weil jedoch nur ein kleines bourgeoises Mädchen war. Stellte sich 1933 gegen die UdSSR, weil sie den revolutionären Elan verloren habe. Im Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Anarchosyndikalisten aktiv. Brach 1938 mit Pazifismus. Seit 1936 widmete sich v.a. spirituellen Fragen: näherte sich dem Katholizismus. Floh 1942 in die USA und dann nach England, wo sie sich de Gaulle anschloss. Alle ihre Werke wurden posthum veröffentlicht. Bekannte von Colette Audry.

William H. Whyte: 1917-99. US-Soziologe und Journalist. Veröffentlichte 1956 The Organization Man: der Angestellte aus den amerikanischen Vorstädten, der nur für The Organization (die Firma) lebt, als das Herz und die Seele der modernen Gesellschaft. Artikel in den TM 1958.

Wols: 1913-51. Eigentlich Alfred Wolfgang Schulze. Deutscher. Maler (Wegbereiter des Informel), Fotograf. Lebte in Paris, wohin er vor den Nazis auswanderte. Illustrierte Sartres Visages. Alkoholiker, verelendet. Zusammen mit anderen unterstützte Sartre Wols nach Ende des 2. WK

Richard Wright: 1908-60. Schwarzer Autor aus Mississippi/USA mit kommunistischen Sympathien. 1933-42 Mitglied der Kommunistischen Partei. 1927-37 in Chicago, 37-46 in New York. Verheiratet mit Ellen (früher kommunistischen Organisatorin aus Brooklyn; ab 1952 Beauvoirs Agentin für den amerikanischen Markt; Beauvoir traf sich nach 1952 immer wieder mit ihr). Wright trat an Veranstaltungen des RDR auf. Schrieb 1940 Native Son und 1945 Black Boy. Schon in der Nr. 1 der TM eine Erzählung von Wright, danach mehrfach wieder. Freund von Algren. Sartre und Beauvoir hatten die Wrights 1946 in Paris kennen gelernt, enge Freundschaft bis 1955. Sie lebten ab 1947 in Paris, wo R. Wright auch starb. Der Grund war der Rassismus in den USA, der den beiden als schwarz-weissem Ehepaar viel zu schaffen machte. Half 46-48 die Zs. Présence Africaine von Césaire, Senghor und Diop zu gründen. Wurde 1947/48 wegen seiner Freundschaft mit Sartre selbst ein Opfer Kanapas. Unterstützte Sartre gegen die pro-amerikanische Wende des RDR 1949. Engagierte sich in den 50er Jahren für Afrika und die Dritte Welt.

André Wurmser: 1899-1984. Schriftsteller. Lit.Kritiker (Les Lettres Françaises; L’Humanité). Immer parteitreu (Stalinist, z.T. auch antisemitisch): schrieb gegen Gides Kritik an der UdSSR, engagierte sich gegen Kravtchenko. Nach Veröffentlichung von La Mort dans l’âme nannte er Sartre einen Lügner und Geschichtsfälscher.

Kateb Yacine: 1929-89. Alger.-berber. Schriftsteller franz. und arab. Sprache. Ab 1945 Einsatz für Unabh. Algeriens. 1947 nach Paris mit Hilfe von Zuorro. 1947 Mitgl. der komm. Partei Algeriens. Zeitlebens polit. engagiert. Lebte z.T. im Ausland (UdSSR, Frankreich, DDR, Italien, Jugoslawien). In den 60er Jahren mit Sartre und Beauvoir befreundet.

David Iosifovitch Zaslavskij: 1880-1965. Sowjetischer Journalist und stalinistischer Ideologe. Jude. Zuerst Menschewik; damals von Lenin kritisiert. Seit 1928 in der Redaktion der Prawda. Beteiligt 1949 am antisemitischen Kampf gegen den Kosmopolitismus. Führend in der Kampagne gegen Pasternak, nachdem dieser den Nobelpreis erhalten hatte. Schrieb in Prawda 24.1.47 eine Kritik Sartres, der ihm in Le Processus historique antwortete.

Michel Zévaco: 1860-1918. Anarchist, Sozialist (verteidigte Dreyfus). Journalist und Schriftsteller von Populärromanen mit Pardaillan ans Hauptfigur (als Fortsetzungsroman zuerst in Jaurès’ La Petite république socialiste, dann ab 1905 in Le Matin): die Figur von Pardaillan beeindruckte Sartre als Kind sehr.

Andrej Aleksandrovitch Zhdanov: 1896-1948. Sowjetischer Politiker. 1934-48 ZK-Sekr., 1934-44 1. Sekr. Leningrad, 1939-48 Politbüromitglied. 1946 Anführer des Kampfes der stalinistischen Kulturpolitik gegen „Kosmopolitismus“ („Zhdanovshtchina“) nach Ende des 2. WK und zu Beginn des Kalten Kriegs. Organisierte 1947 Kominform.

Jean Ziegler: 1934-. Schweizer Politiker (1967-83, 88-99 sozialdem. Nationalrat). Aufgewachsen in Thun, studierte Jura. In Paris, wo er sich im Umfeld von Clarté bewegte, wurde er zum Sozialisten und Tiermondisten. 1972-2002 Prof. für Soziologie in Genève. Bankenkritiker (Une Suisse au-dessus de tout soupçon, 1976). 2000-2006 UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. Veröffentlichte 1960 ein Interview mit Sartre und Beauvoir nach deren Kubareise. War von beiden beeinflusst. Veröffentlichte zwar 1963 einen Beitrag in den TM über den Kongo (L'armée blanche en Afrique), die oft behauptete Freundschaft zwischen Ziegler und Sartre/Beauvoir gab es nicht.

Émile Zola: 1840-1902. Schriftsteller/Romancier: Leitfigur des Naturalismus, Journalist. Politisch auf der linken, pro-sozst. Seite. Engagierte sich für Dreyfus: 1898 offener Brief an Präs. Faure unter dem Titel J’accuse …! . 1908 als Ikone der Linke in den Pantheon überführt.

Lenina Aleksandrovna Zonina: 1922-84. Nannte sich Lena. Sowjet. Spezialistin für moderne franz. Lit. und Franz.-Übersetzerin. Jüdin. Tochter des Schriftstellers Aleksandr Iljitch Zonin: wurde 1949 als „Kosmpolit“ verfolgt und in ein Lager in Kasachstan versandt (-1955): Zonina musste Studium abbrechen. 1949-55 Sekretärin Ehrenburgs, dann Mitarbeiterin der Intl. Kommission beim Schriftstellerverband (-1966: Rücktritt aus Frustration über sowjet. Lit.politik). Arbeitete und befreundete sich auch mit Aragon, Triolet, Lev Kopelev. Zweimal verheiratet, eine Tochter (Mascha). Übersetzte erstmals 1962 für Sartre und Beauvoir in Moskau: langjährige Freundin von Sartre und Beauvoir. Sehr intensive, intime Beziehung mit Sartre: Hauptgrund für Sartres Reisen nach Moskau bis 1966. Mehrere Besuche Zoninas in Paris, auch nach dem Ende ihrer Beziehung mit Sartre 1967. Sartre widmete ihr Les Mots, gewährte ihr finanzielle Unterstützung, die Arlette nach Sartres Tod fortsetzte. 600 Briefe zw. Sartre und Zonina liegen in der Bibliothèque Nationale in Paris (Arlette untersagte Veröffentlichung für 40 Jahre). Beauvoir schrieb über ihr Verhältnis Malentendu à Moscou (1992 posthum veröff.): Sartre ist personifiziert durch André, Zonina durch Macha, Beauvoir durch Nicole.

Marc Zuorro: -1957. Zuor gerufen. Französischlehrer. Wollte Opernsänger werden. In den Memoiren Marco genannt. Vorbild für Daniel aus Les chemins de la liberté. Geboren in Bône/Algerien. Seit 1929 Freund Sartres, den er an der Cité Universitaire kennen lernte, wo Sartre 1928/29 wohnte. Befreundet auch mit Guille (und durch diesen mit Mme Morel). Ab 1935 wie Beauvoir Lehrer am selben Gymnasium in Rouen (lebte auch in Beauvoirs Hotel), ab 1936 am Lycée Louis-le-Grand. Liebte wie Sartre amerikan. Romanciers wie Dos Passos. Zuorro war homosexuell, bestritt dies jedoch immer. Verhältnis zu Palle. 1936 vergeblicher Versuch, ein Verhältnis zu Bost aufzubauen: führte zu Spannungen mit Sartre und vor allem Beauvoir, die in Bost verliebt war. Trotzdem gemeinsame Skiferien in Chamonix (Weihnachten 36). Lebte immer wieder mit jungen Männer zusammen. Zu seinen schwulen Freunden zählten Larroutis (Studienkollege von Sartre und Nizan), Guerrieri. Nebenbei auch gelegentliche Affären mit Frauen, u.a. mit Olga. Sartre wie Beauvoir warfen Zuorro dessen Neigung zu Intrigen vor. Nach 1936 nur noch selten Kontakt, bis Zuorro nach Kriegsende in eine lange psychische Krise fiel. Sartre besuchte ihn fast wöchentlich. Es war Zuorro, der 1945 für Sartre die Auszeichnung der Ehrenlegion arrangierte, um Sartre zu ärgern. 1945/46-50 mit Schérer eng befreundet, gemäss dem Zuorro immer ein Sartrianer blieb, Zog nach Algerien, unterrichtete an der Médersa/Institut des études supérieures islamiques, versuchte die franz. Lokalreg. zu einer Öffnung gegenüber den „moslemischen Franzosen“ zu bewegen (Zuorro war befreundet mit Gen.gouv. Châtaigneau, 1944-48). Förderte Kateb Yacine. Ab 1954 zunhemend militanter für eine Algérie française. Verstarb 1957 in Algerien, angeblich bei einem Autounfall, nach Revel wahrscheinlich wg. seiner Homosexualität (od. allenfalls aus polit. Gründen) ermordet.